Wahrend die Wirkung der meisten gebrauchlichen Antibiotika auf einer Beeintrachtigung wichtiger bakterieller Prozesse beruht, wirken manche Substanzen durch die Storung der Zellmembran-Struktur. Da Fettsauren ein essentieller Bestandteil von Membran-Phospholipiden sind, stellt die bakterielle Fettsaurebiosynthese II (FAS-II) einen relativ wenig erforschten, aber dennoch vielversprechenden Angriffspunkt fur die Entwicklung neuer Antibiotika dar. Das wichtige Antituberkulotikum Isoniazid blockiert die mykobakterielle Fettsaurebiosynthese und ruft dadurch morphologische Anderungen sowie letztlich die Lyse des Bakteriums hervor. Eine wichtige Erkenntnis war, dass Isoniazid den letzten Schritt des FAS-II Elongationszyklus inhibiert, der durch die Enoyl-ACP Reduktase katalysiert wird. Darauf aufbauend wurden mehrere Programme ins Leben gerufen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, neue Molekule zu entwickeln, welche dieses Protein verschiedener Pathogene hemmen. Die S. aureus Enoyl-ACP Reduktase (saFabI) ist von besonders grosem Interesse, da drei vielversprechende Inhibitoren dieses Proteins entwickelt werden konnten, die momentan in klinischen Studien eingehend untersucht werden. Trotz dieser Erfolgsaussichten waren zum Zeitpunkt, als die vorliegenden Arbeiten aufgenommen wurden, keine Kristallstrukturen von saFabI offentlich verfugbar. Daher war es eines der Hauptziele dieser Doktorarbeit, auf der Basis von kristallographischen Experimenten atomar aufgeloste Modelle fur dieses wichtige Protein zu erzeugen. Durch die Entwicklung einer verlasslichen Methode zur Kristallisation von saFabI im Komplex mit NADP+ und Diphenylether-Inhibitoren konnten Kristallstrukturen von 17 verschiedenen ternaren Komplexen gelost werden. Weitere kristallographische Experimente ergaben zwei apo-Strukturen sowie zwei Strukturen von saFabI im Komplex mit NADPH und 2-Pyridon-Inhibitoren. Basierend auf der nun bekannten saFabI-Struktur konnten Molekulardynamik-Simulationen durchgefuhrt werden, um zusatzliche Erkenntnisse uber die Flexibilitat dieses Proteins zu erhalten. Die so gewonnenen Informationen uber die Struktur und Beweglichkeit des Enzyms dienten in Folge als ideale Grundlage dafur, den Erkennungsprozess von Substrat und Inhibitor zu verstehen. Besonders bemerkenswert dabei ist, dass die verschiedenen saFabI Kristallstrukturen Momentaufnahmen entlang der Reaktionskoordinate der Ligandenbindung und des Hydrid-Transfers reprasentieren. Dabei verschliest der so genannte Substratbindungsloop das aktive Zentrum des Enzyms allmahlich. Die ausergewohnlich hohe Mobilitat von saFabI konnte durch molekulardynamische Simulationen bestatigt werden. Dies legt nahe, dass die beobachteten Anderungen der Konformation tatsachlich an der Aufnahme und Umsetzung des Substrates beteiligt sind. Eine Kette von Wassermolekulen zwischen dem aktiven Zentrum und einer wassergefullten Kavitat im Inneren des Tetramers scheint fur die Beweglichkeit des Substratbindungsloops und somit fur die katalysierte Reaktion von entscheidender Bedeutung zu sein. Auserdem wurde die erstaunliche Beobachtung gemacht, dass der adaptive Substratbindungsprozess mit einem Dimer-Tetramer Ubergang gekoppelt ist, welcher die beobachtete positive Kooperativitat der Ligandenbindung erklaren kann. Alles in allem weist saFabI im Vergleich zu FabI Proteinen aus anderen Organismen mehrere ausergewohnliche Eigenschaften auf, die fur die Synthese von verzweigten Fettsauren notig sein konnten, welche wiederum fur die Uberlebensfahigkeit von S. aureus im Wirt von Bedeutung sind. Diese Erkenntnis konnte erklaren, warum S. aureus selbst bei Anwesenheit von exogenen Fettsauren von FAS-II Inhibitoren abgetotet werden kann. Somit konnen die gewonnenen atomaren saFabI Modelle einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung neuer Hemmstoffe dieses validierten Angriffszieles leisten. Tatsachlich konnten die neuen Strukturen genutzt werden, um die Bindungsstarken sowie die Verweilzeiten verschiedener saFabI Inhibitoren molekular zu erklaren. Die Struktur von saFabI im Komplex mit dem 2-Pyridon Inhibitor CG400549 hingegen enthullte spezifische Wechselwirkungen in der geweiteten Bindetasche des S. aureus Enzyms, welche das geringe Aktivitatsspektrum dieses derzeit klinisch erprobten Inhibitors erklaren. Diese Studien schaffen somit eine ideale Voraussetzung fur die Entwicklung neuer wirksamer saFabI Inhibitoren, was am Beispiel des 4-Pyridons PT166 belegt werden kann. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation konnten auserdem die Strukturen des Enzyms KasA im Komplex mit mehreren Derivaten des Naturstoffs Thiolactomycin gelost werden.
Die wachsende Beliebtheit Fragment-basierter Strategien zur Entwicklung neuer Wirkstoffe macht es notwendig, falsch-positive Treffer aus affinitätsbasierten Screening-Kampagnen frühzeitig zu erkennen. Die geringe Größe und niedrige Affinität von Fragmenten bewirkt, dass viele der verwendeten Methoden an den Rand ihrer Nachweisgrenze gelangen. Die unbeabsichtigte Verfolgung einer falschen Fährte kann jedoch zu einem erheblichen Verlust an Zeit und Ressourcen führen. Diese Arbeit untersucht die Ursache für irreführende Ergebnisse aus affinitätsbasierten Screening-Experimenten für ein Fragment, das von mehreren Methoden als hochpotenter Binder der Aspartylprotease Endothiapepsin (EP) identifiziert wurde. Die biologische Aktivität dieses Moleküls resultiert hauptsächlich aus der spontanen Bildung einer neuen Verbindung durch weitläufige Umlagerung eines heterocyclischen Grundgerüstes. Der neu gebildete Ligand bindet an EP durch induzierte Anpassung des Proteins, wobei die Ausbildung bemerkenswerter elektrostatischer Wechselwirkungen resultiert. Es zeigt sich, dass strukturelle Informationen für die Identifizierung dieses falsch-positiven Treffers unabdingbar waren.