Autofahrer nehmen die Alternativen nicht wahr

2000 
Eine aktuelle Studie zur Verkehrsmittelwahl im oberoesterreichischen Zentralraum Linz, Wels und Steyr zeigt, dass die Nichtbenutzung oeffentlicher Verkehrsmittel oft nicht auf Angebotsmaengel, sondern auf Maengel in der Wahrnehmung vorhandener Alternativen durch die Verkehrsteilnehmer, besonders der Autofahrer zurueckzufuehren ist. Fuer nahezu 60 Prozent der Pkw-Fahrten besteht in Linz wie auch in anderen Ballungsraeumen keine objektiv-sachliche Notwendigkeit fuer die Benutzung des Autos. Bei knapp der Haelfte dieser Fahrten kaeme ein oeffentliches Verkehrsmittel als Alternative in Frage. Demnach waere im Idealfall knapp ein Drittel aller innerstaedtischen Autofahrten ohne zusaetzliche Investitionen in die Infrastruktur auf den oeffentlichen Verkehr verlagerbar. Um eine vermehrte Benutzung der oeffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen, sind jedoch kundenbezogene "Soft Policies", also der verstaerkte Einsatz von Informations-, Kommunikations- und Anreizmassnahmen erforderlich. Informationen ueber den oeffentlichen Verkehr sollten individuell gestaltbar und spontan verfuegbar sein, wenig Beschaffungs- und Organisationsaufwand verursachen und ausserdem bezueglich Tarifmoeglichkeiten, Zeitangaben, Umsteigenotwendigkeiten, Anschlussverbindungen und Destinationen umfassend sein. Die bisher ueblichen standardisierten und pauschalen Informationssysteme wie Fahrplaene oder Tonbanddienste werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Groessere Verkehrsunternehmen bieten daher Info-Hotlines mit individueller Mobilitaetsberatung und massgeschneiderter Routenplanung via Telefon und/oder Faxuebermittlung sowie elektronische Fahrplanauskunftsysteme via Internet beziehungsweise Mobiltelefon oder mittels Info-Terminals an zentralen Punkten im Stadtgebiet an. Ergaenzend zu den Informationsmassnahmen sind verschiedene Formen der Werbung und Oeffentlichkeitsarbeit erforderlich, um die emotionale Entscheidungsgrundlage fuer die Nutzung oeffentlicher Verkehrsangebote zu formen. Der Kommunikation kommt die Aufgabe zu, Sympathie zu erzeugen und Interesse zu wecken. Der oeffentliche Verkehr sollte mit jenen Wertattributen, die von Autofahrern hoch geschaetzt sind, in Verbindung gebracht werden, also mit Modernitaet, Spass und Lebensfreude, Prestige, Kraft und Unabhaengigkeit. Um Interesse und Aufmerksamkeit fuer oeffentliche Verkehrsmittel zu erreichen, sind Informations- und Aktionstage sowie Schnupperangebote wichtige Instrumente. Als Kommunikationsmittel haben unterhaltsam-plakativ gestaltete Botschaften besonderen Stellenwert. Dem Kunden Wichtigkeit und Wertschaetzung zu signalisieren, ist eine weitere wichtige Aufgabe der Kommunikation. Dies kann mit dem Instrument des "Individualisierten Marketing" erreicht werden. Dabei werden die Haushalte oder bestimmte Zielgruppen vom Verkehrsunternehmen direkt kontaktiert. Sind die informatorischen und emotionalen Grundlagen fuer die Nutzung des oeffentlichen Verkehrsmittels geschaffen, koennen gezielte Anreize letzte entscheidende Impulse liefern, die vorhandene Bereitschaft in Handeln umzusetzen. Mobilitaetsberatung und Leistungsangebot der Verkehrsbetriebe sollten sich auch auf andere Verkehrsmittel wie Fahrrad, Taxi und Carsharing erstrecken. Damit kann signalisiert werden, dass der oeffentliche Verkehr Teil eines umfassenden Systems und nicht der Gegner des Autofahrers oder Radfahrers ist. (KfV/A)
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