Eine unbekannte Intavolierung Heinrich Scheidemanns

2016 
Unter den erhalten gebliebenen Orgelwerken von Heinrich Scheidemann (ca. 1596-1663) nehmen die Intavolierungen einen eigenstandigen Platz ein. Die 12 Motettenkolorierungen fur Orgel konnen, obwohl sie an Bedeutung wohl nicht an Scheidemanns Choralund Magnificat-Bearbeitungen heranragen, hinsichtlich Anzahl und Qualitat durchaus mit seinen 15 Praeambeln verglichen werden. Merkwurdig ist, das dieser wichtige Werkbestand, der schon rein quantitativ keinesfalls als periphere Erscheinung innerhalb seines Schaffens abgetan werden kann, bisher kaum gewurdigt1 und, bis auf eine Ausnahme (vgl. weiter unten), nicht in Neuausgaben zuganglich ist2. Die im 16. Jahrhundert weitverbreitete Kunst der Intavolierung mehrstimmiger Vokalmusik, zu deren letzten Reprasentanten Scheidemanns Motettenintavolierungen gehoren, hat bis vor kurzem in der Musikwissenschaft in etwas ungunstigem Licht gestanden. Die kritische Wurdigung von Scheidemanns Beispielen dieses Kompositionstypus wurde dadurch zweifellos negativ beeinflust. Kennzeichnend fur diese Haltung ist die Besprechung seines Alleluja, laudem dicke (die einzige schon vor langerer Zeit herausgegebene Motettenkolorierung3) in Apels Geschichte der Orgelund Klaviermusik bis 1700, von welchem seinerzeit die Vorlage noch unbekannt war: „Mit seiner doppelchorigen Anlage, klangvollen Akkordik, belebenden Figuration ist es eine der grosartigsten und eindrucksvollsten Schopfungen des Meisters. Sollte es eine intabulierte Vokalkomposition sein? Solange dies nicht erwiesen ist, wollen wir es gerne als ein originales, zugleich auch hochst originelles Orgelstuck ansehen."4 Es ist deutlich, das hier die Unvoreingenommenheit, die Unkenntnis der Tatsache, das es sich hier um eine Bearbeitung einer Motette Hans Leo Haslers handelt, die richtige Wurdigung des Stuckes gefordert hat. Die Intavolierungskunst gewinnt in Scheidemanns Gesamtwerk indessen noch weiter an Bedeutung durch die Identifikation einer bisher als anonym betrachteten Madrigal-Intavolierung, die jetzt als eine Komposition des Hamburger Meisters angesehen werden kann. Das Werk befindet sich in der Tabulato der Universitatsbibliothek von Uppsala, Inst. mus. i. hdskr. 4086. Dieses sogenannte Klavierbuch von Gustav Duben (auf dem Titelblatt ist es mit „Gustavus Duben Holmensis Anno 1641" signiert), war schon langer als Scheidemann-Quelle bekannt. Obwohl innerhalb der Scheidemann-Uberlieferung als Ganzes vielleicht nur von sekundarer Bedeutung7, liefert es zuverlassige Texte, darunter ein Unicum, von zwei wichtigen Kompositionen Scheidemanns8. Genaues Studium der Handschrift ergab, das darin noch ein drittes Werk von ihm enthalten ist, das nur wegen wiederholter Fehlinterpretation der vorhandenen Signierungen bisher noch nicht als solches wiedererkannt worden ist. Es handelt sich um die Intavolierung auf fol. 45v-48r, die auf fol.
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