Der atrophierte Unterkiefer – eine morphometrische Studie im Hinblick auf eine mögliche Insertion bikortikaler bzw. kurzer Implantate im reduzierten Unterkieferknochenangebot mit Hilfe der digitalen Volumentomographie

2018 
Die vorliegende Arbeit stellt eine genaue Methode zur Vermessung des Unterkiefers anhand von digitalen Volumentomogrammen vor und beantwortet Fragen nach der Quantifizierung vertikaler und transversaler Dimensionen teilbezahnter bzw. zahnloser Unterkiefer. Es wird dargestellt, welches Knochenangebot atrophierte Unterkiefer aufweisen, um die Indikationsstellung fur die funktionelle Rehabilitation durch dentale Implantate zu prazisieren. Dafur wurden 68 Patienten aus 715 DVT-Datensatzen, die zwischen 2008 und 2014 in einer kieferchirurgischen Praxis in Zwickau/Sachsen angefertigt wurden, nach entsprechenden Kriterien ausgewahlt. Es erfolgte eine Einteilung in zwei Untersuchungsgruppen, sodass einer Gruppe bestehend aus 43 im Unterkiefer zahnlosen Patienten (Alter ca. 69,8 Jahre) einer zweiten Gruppe von 25 Patienten (Alter ca. 62,8 Jahre) mit anteriorem Restgebiss gegenubergestellt werden konnte. Jedes DVT wurde durch eine standardisierte Methode zunachst dreidimensional ausgerichtet und dann an sechs Seitenzahn- sowie funf Frontzahnpositonen in zwei vertikalen und drei bzw. funf horizontalen Strecken vermessen. Zur Bestimmung des methodischen Messfehlers wurden funf DVT-Datensatze dreifach vermessen und entstandene Messdifferenzen ausgewertet. Ein nicht signifikanter durchschnittlicher Altersunterschied von ca. funf Jahren trennt Gruppe 1 und Gruppe 2. Die Anzahl von Frauen uberwiegt in beiden Gruppen. Die Knochenhohe ist im seitlichen Frontzahnbereich zahnloser Patienten mit ca. 23 ± 1 mm am grosten und die kaudale Kortikalis durchschnittlich 4,1 mm dick. In der Unterkiefermitte ist sie mit 6,2 mm 50% starker. Nach distal fallt die Unterkieferhohe kontinuierlich zur Position des ersten Molaren ab. Die Angulation der maximalen kranio- kaudalen Ausdehnung bewegt sich durchschnittlich zwischen 11° und 19° gegenuber der Axialachse und entspricht damit der von den Implantatherstellern vorgesehenen Standard-Sekundarteilen. Patienten mit anteriorem Restgebiss weisen in allen Messpositionen des Seitenzahnbereichs ca. 5,2 mm signifikant mehr Knochenhohe auf als zahnlose Patienten. In allen Messungen beider Gruppen kann signifikant weniger Knochenhohe bei Frauen als bei Mannern festgestellt werden, dabei betragt die Differenz durchschnittlich 2,2 mm. Es wird gezeigt, dass im Frontzahnbereich die Unterkieferbreite und im Seitenzahnbereich die Unterkieferhohe reduziert ist. Den Ergebnissen dieser Arbeit zufolge kann durch Ausnutzen von 75 % der kaudalen Kortikalis im Frontzahnbereich deutlich haufiger implantiert werden. Bezogen auf die einzelnen Messpositionen konnen 25 % mehr Miniimplantate (O 2,1 mm) und 21 % mehr Standardimplantate (O 4,1 mm) inseriert werden. Sieben von 43 Patienten, bei denen eine Versorgung mit zwei interforaminalen Implantaten angestrebt wird, profitieren von einer bikortikalen Verankerung, da ansonsten ihr Knochenangebot fur eine monokortikale Implantation nicht ausreicht. Weiterhin kann durch die bikortikale Verankerung bei 20 statt nur sieben von 43 zahnlosen Patienten die prothetische Versorgung auf vier interforaminalen O 4,1 mm Standardimplantaten realisiert werden. Das entspricht in dieser Studie 30 % mehr Patienten, die mit Implantaten versorgt werden konnen. Der therapeutische Nutzen der bikortikalen Verankerung ist zum einen die Moglichkeit der Verwendung langerer Implantate, zum anderen die Erweiterung der Indikation der Versorgung mit Implantaten bei reduziertem Knochenangebot. Bei der Analyse des Knochenangebotes im Seitenzahnbereich wird dargestellt, dass kurze Implantate mit einer Lange von unter 8 mm im Vergleich zu einer Lange von 10 mm zwei bis drei Mal bzw. bei ultrakurzen Implantaten (Lange 4 mm) sogar vier Mal so oft gesetzt werden konnen. Grundsatzlich gilt: Je kurzer das Implantat, umso haufiger kann es inseriert werden. Eine bikortikale Implantation im Seitenzahnbereich ist nur in Ausnahmefallen, d.h. bei ausreichendem Knochenangebot lateral des Canalis mandibulae, moglich. Auch hier wird mit der vorgelegten Arbeit gezeigt, dass dieser Platz vestibular zu 7 % (zahnlose Unterkiefer) bzw. zu 18 % (Unterkiefer mit anteriorem Restgebiss) breiter als 6 mm ist. In der vorliegenden Studie wird eine reproduzierbare Methode vorgestellt, deren Messfehler unter Einsatz von softwarebasierten Werkzeugen der Langen- und Winkelmessung mit den Werten vorheriger Studien zur Genauigkeit der DVT korreliert. Angesichts der hohen Anzahl an zahnlosen Patienten, die nur durch die bikortikale Verankerung mit Implantaten versorgt werden konnen, sind weitere klinische Studien zum Langzeiterfolg erforderlich. Ferner sollten die genauen biomechanischen Auswirkungen der bikortikalen Verankerung verschiedener Implantatsysteme im Unterkiefer untersucht werden. Durch die wachsende klinische Bedeutung kurzer bzw. ultrakurzer Implantaten im atrophierten Unterkiefer-Seitenzahnbereich sind Langzeitstudien notwendig, um die Ergebnisse der bisherigen, maximal funf Jahre umfassenden Beobachtungen erneut einschatzen, Komplikationen und Limitationen abwagen und verlassliche Aussagen zur Erfolgsrate treffen zu konnen.
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