Im Gastroenterologischen Zentrum des Kitasato-University-East-Hospital

1992 
„Einen wesentlichen Anteil an Qualitat und Quantitat der von einer Abteilung geleisteten Arbeit hat deren Organisationsform. Das gastroenterologische Zentrum im Kitasato University East Hospital ist interdisziplinar. Die Zusammenarbeit zwischen Internisten und Chirurgen ist eng. Fur die 80 chirurgischen Betten sind 25 Arzte da, 15 von ihnen mit abgeschlossener Facharztausbildung. Von diesen hat jeder sein eigenes eng begrenztes Arbeitsgebiet, man konnte es organspezifisch nennen. Je zwei Arzte sind dafur zustandig, um so Vertretung und Weiterbildung zu sichern. Bei den Internisten herrschen die gleichen Verhaltnisse. Diese Enge in der Spezialisierung schafft „Meister“ des Fachs, aber gleichzeitig fordert sie den „Fachidioten“. Die Raumlichkeiten der Abteilung sind sehr groszugig, die Ausrustung instrumentell einmalig. Hohen Stellenwert hat die Dokumentation der Befunde, so werden von allen — auch den normalen Befunden — mindestens 25 Dias gemacht. In den regelmasigen Konferenzen (dreimal wochentlich) werden diese Bilder alle angesehen, diskutiert und gewahrleisten so eine absolute Kontrolle. Einmal im Jahr wird fur auslandische Arzte ein Seminar durchgefuhrt. Die Bibliothek ist gut bestuckt mit englischen und deutschen Buchern und Zeitschriften. Etwa vier Wochen nach Aufnahme meiner Tatigkeit begannen die japanischen Kollegen meine Befunde und auch mich zu akzeptieren. Doch fallt auf, das die Japaner zwar sehr hoflich sind, insgeheim aber trotzdem glauben, das „Gaijin“ eben „Menschen von drausen“ sind. Deutsche kommen aber noch besser weg als Amerikaner. In Kitasato sind jedoch sehr viele Arzte, die selbst in Deutschland waren oder aus anderen Grunden sehr aufgeschlossen sind. Die Arbeitszeit beginnt um 7.30 Uhr und endet gegen 22.00 Uhr, wobei die Alteren etwas kurzere, die Jungeren etwas langere Zeit arbeiten. Samstags wird bis 14.00 Uhr gearbeitet. Zwei- bis dreimal im Monat ist Nachtdienst. Am Abend nach der Versorgung der Patienten finden Konferenzen, Fallvorstellungen oder Fortbildungen statt. Niemand klagt daruber, denn wer Arzt wird weis, das er sich einsetzen mus. Auch betragt die allgemeine Arbeitszeit noch mindestens 48 Stunden, die FunfTage-Woche ist eher die Ausnahme. Die Jahresarbeitszeit pro Arbeitnehmer betrug 1985 in Japan 2152 Stunden, in Deutschland 1613. Als sehr wesentlich kann die Kollegialitat und die daraus resultierende Hilfe fur den anderen angesehen werden. Die Arzte leben in der Klinik fur die Klinik. Dieses Zusammengehorigkeitsgefuhl ausert sich trotz ausgepragter Hierarchie bei Entscheidungen, zu denen alle beitragen. Frauen haben es allerdings sehr schwer, auch innerhalb dieses Systems. Es ist eine Welt der Manner. Unter etwa 60 Kollegen im gastroenterologischen Zentrum befindet sich nur eine Frau. Insgesamt hat mir der Aufenthalt in der Klinik und das Land sehr gut gefallen. Kulturell hat sich der Horizont erweitert und relativiert das eigene, eurozentrische Weltbild.“
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