Untersuchungen zum Vorkommen der Fledermaustollwut in Deutschland

2014 
Das Wissen uber fledermausassoziierte Lyssaviren in Hinblick auf die Diversitat, Abundanz, geographische Verbreitung, Wirtsspezifitat, Pathogenitat und mogliche Ubertragungswege ist luckenhaft. In Europa wird zur Uberwachung der Fledermaustollwut die Untersuchung von moribunden oder toten Tieren (passive Surveillance) und/oder die Beprobung von freilebenden Fledermauspopulationen (aktive Surveillance) empfohlen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den derzeitigen Kenntnisstand zum Vorkommen von fledermausassoziierten Lyssaviren in Deutschland zu erweitern und mit Daten anderer europaischer Lander zu vergleichen. Die Untersuchungen stutzten sich dabei auf drei Teilprojekte: 1) Die initiale Statuserhebung und Analyse der Fledermaustollwut-Surveillance in Europa hat gezeigt, dass trotz internationaler Empfehlungen die Tollwut-Uberwachung bei Fledermausen uneinheitlich durchgefuhrt wird. Diese Unterschiede sind unter anderem die Folge (i) fehlender Zusammenarbeit zwischen Fledermausbiologen und Veterinar- sowie Gesundheitsbehorden, (ii) fehlender Netzwerke von Fledermaussachverstandigen, (iii) landerspezifischer Regelungen, aber auch (iv) fehlenden Bewusstseins sowie Kenntnisstandes fur die Fledermaustollwut in der Bevolkerung. 2) In Deutschland wurde zusatzlich zur Tollwut-Routinediagnostik eine intensivierte passive Tollwut-Surveillance (retrospektive Studie, 1998 – 2013) durchgefuhrt, bei der 5478 Tiere aus insgesamt 21 einheimischen Arten akquiriert und auf das Vorliegen einer Lyssavirusinfektion untersucht wurden. Insgesamt konnten 52 EBLV-1 Infektionen (E. serotinus (n=49), P. pipistrellus, P. nathusii, Pl. auritus) sowie drei EBLV-2 Infektionen (M. daubentonii) diagnostiziert werden. Die Untersuchungen verdeutlichen, dass diese retrospektive Studie im Vergleich zur Routinediagnostik entscheidende Vorteile in Bezug auf den Stichprobenumfang, das Artenspektrum sowie die Fehlerfreiheit von artbezogenen biologischen und epidemiologischen Daten und somit entscheidende Voraussetzungen fur eine gezielte Risikobewertung einer potentiellen Gesundheitsgefahrdung des Menschen durch fledermausassoziierte Lyssaviren bietet. 3) Im Rahmen der aktiven Tollwut-Surveillance (1998 – 2012) erfolgte an 42 Standorten in Deutschland die Beprobung von Fledermauspopulationen. Es wurden 4546 Maultupfer- und 1226 Serumproben von 18 Fledermausspezies untersucht. EBLV-1-spezifische RNA wurde in Maultupfern von funf Breitflugelfledermausen, einer Fransen- und einer Mopsfledermaus detektiert. In dieser Arbeit konnte erstmalig EBLV-1 aus einer RT-PCR-positiven Maultupferprobe von einer scheinbar gesunden Breitflugelfledermaus isoliert werden. Bei der serologischen Testung von Serumproben gegen EBLV-1 wurden virus-neutralisierende Antikorper in acht verschiedenen Spezies festgestellt, wobei hauptsachlich Seren von Breitflugelfledermausen hohere Titer aufwiesen. Ein Vergleich von Ergebnissen verschiedener Sero-Surveillance-Studien ist durch das Fehlen standardisierter Testverfahren und durch kreuzneutralisierende Antikorper gegenuber Lyssaviren gleicher Phylogruppen kaum moglich. Die Daten der aktiven Surveillance liefern im Gegensatz zur passiven Surveillance nur begrenzte Erkenntnisse zum Vorkommen, der Pravalenz und Dynamik von Fledermaustollwut in einheimischen Fledermauspopulationen. Die Form der intensivierten passiven Surveillance sollte daher als Standard fur eine zukunftige Surveillance der Fledermaustollwut in Deutschland und anderen europaischen Landern betrachtet werden. Daruber hinaus wurde bei naturlich infizierten Fledermausen (E. serotinus, M. daubentonii, P. nathusii) die Virusverteilung und -last in Geweben verschiedener Organe unter dem Aspekt moglicher Ausscheidungswege untersucht. Virus-spezifische RNA wurde in allen untersuchten Organen nachgewiesen; bedingt durch die neurotropen Eigenschaften der Lyssaviren wurde die hochste Viruslast im Gehirn festgestellt. Signifikant hohe Viruslasten waren zudem in der Speichel¬druse nachweisbar. Zusatzlich zur Speicheldruse scheint die Zunge ein Organ zu sein, in dem Virusreplikation und -ausscheidung stattfindet, da in verschiedenen zellularen Strukturen des Zungengewebes Lyssavirusantigen bzw. virale RNA histologisch nachgewiesen wurden. Die Ausscheidung und Ubertragung von fledermausassoziierten Lyssaviren uber den Harntrakt oder die Atemwege ist wissenschaftlich umstritten und konnte in dieser Studie immunhistochemisch nicht bestatigt werden.
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