Von der Krisenteleologie zur Krisentheorie: Die Wandlungen des Marxismus

1993 
Im Begriff der „Kulturkrise“ wechselte die Krisensemantik nicht nur das Terrain, auf dem ihre geschichtsphilosophischen Gestalten angesiedelt waren. In diesem Begriff spiegelte sich auch eine Erfahrung der Desillusionierung: Der in der revolutionaren Krise enthullte Mangel an sozialen Kohasionsressourcen war ja im geschichtsphilosophischen Denken nicht nur in diagnostischer Perspektive beschrieben worden. Die Erwartungshorizonte der Geschichtsphilosophie hatten dieser Problematik zugleich ihre Losung versprochen. Ohne ein in der Diagnose schon verburgtes Losungsversprechen stellte sich das Problem sozialer Integration nunmehr als strukturelles Defizit der kapitalistischen Moderne dar, das zum Schlusselproblem zeitdiagnostischer Analysen werden muste. Damit schalte sich aus den Sinnkonstruktionen geschichtsphilosophischer Krisendiskurse die analytische Frage nach den Bedingungen und Bewegungsgesetzen der gesellschaftlichen Reproduktion als eigenstandiger Problemkomplex heraus. Die revolutionare Krise wurde als Reproduktionskrise untersucht. Das heist: Sie wurde nicht mehr allein in der Zeitdimension - also nach ihrem Ort im Kontinuum einer Geschichtszeit, die sich nach verschiedenen Sinnqualitaten differenziert — zum theoretischen Gegenstand, sondern auch in ihrer Sachdimension.
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