Bilingualismus: eine Herausforderung für das sich entwickelnde Gehirn

2012 
Der Einsatz neurophysiologischer Methoden in der Bilingualismus-Forschung zeigte – entgegen ursprunglicher Annahmen –, dass bilinguale SprecherInnen nicht notwendigerweise andere neuronale Regionen fur die Sprachverarbeitung aktivieren als monolinguale SprecherInnen. Faktoren wie die Kompetenz in einer Zweitsprache (L2) und das Alter bei Beginn des L2-Erwerbs konnen allerdings die Reprasentation der L2 im „bilingualen Gehirn“ beeinflussen. So wurde ein spaterer Erwerbsbeginn, verglichen mit einem fruhen Start in die Zweisprachigkeit, vielfach mit einer geringeren L2-Kompetenz und mit differierenden neurophysiologischen Aktivierungsmustern fur sprachbezogene Aufgaben in Verbindung gebracht. Die bilinguale Forschung mit engem Bezug zu neurowissenschaftlichen Disziplinen konzentrierte sich diesbezuglich bis dato jedoch weitgehend auf sprachliche Fahigkeiten im Erwachsenenalter und beschaftigte sich erst in ihrer jungsten Entwicklung zunehmend mit dem Erwerbsverlauf sprachlicher Fahigkeiten. Die Ergebnisse unserer Langzeitbeobachtung an 3 bilingualen Kindern, die alle gleich lange und unter vergleichbaren Umstanden ihre Zweitsprache lernten, deuten auf einen Zusammenhang zwischen dem Alter zu Beginn des Erwerbs und den grammatikalischen Fahigkeiten in der L2 hin; Wortschatz und Lesefahigkeit scheinen hingegen nicht mit dem Alter bei Erwerbsbeginn zusammenzuhangen. Weiters reagierte das L2-Sprachsystem des altesten Kindes am stabilsten auf eine vorubergehende Veranderung der sprachlichen Umgebung. Um jedoch generalisierte Aussagen uber linguo-kognitive Entwicklungsverlaufe bei Kindern und Jugendlichen, die gleichzeitig mehrere Sprachen erlernen, treffen zu konnen, bedarf es weiterer interdisziplinarer Forschungsbestrebungen zum sich entwickelnden „multilingualen Gehirn“.
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