Assistenzsysteme zur Unfallvermeidung – warnen oder eingreifen?

2007 
Assistenzsysteme werden zunehmend unter dem Aspekt eingefuhrt, dass sie zur Unfallvermeidung beitragen konnen. Zum Beispiel kann eine bevorstehende Kollision entdeckt, der Fahrer gewarnt oder automatisch eine Notbremsung ausgelost werden, um den Unfall zu verhindern. Einerseits soll in dieser Situation der Fahrer die Kontrolle uber das Fahrzeug behalten, was bei einer Warnung, auf die der Fahrer selbststandig reagiert, gewahrleistet ist. Andererseits ist der Fahrer gerade in kritischen Situationen moglicherweise nicht mehr in der Lage, auf die Warnung schnell genug zu reagieren, so dass ein automatischer Eingriff notwendig ware, um den Unfall zu verhindern. Damit stellt sich die Frage, mit welcher Eingriffsstrategie (warnen oder eingreifen?) Unfalle am besten zu verhindern sind. Um diese Frage zu beantworten, wurde im Auftrag der Bast und zusatzlich durch das Land Niedersachsen gefordert eine In-Depth Analyse von etwa 4500 Unfallen aus der Region Braunschweig aus dem Jahr 2002 durchgefuhrt. Unter Einbezug einer 50% Stichprobe der Bundesdeutschen Unfalle aus 2002 wurde es uber eine Gewichtung ermoglicht, die Analysen auf die Bundesdeutschen Verhaltnisse zu ubertragen. Die Unfalle wurden zunachst nach unterschiedlichen Unfalltypen aufgeteilt, die jeweils die Rahmenbedingungen fur die Fahrerassistenzsystem vorgeben (z.B. Vermeidung einer frontalen Kollision im Kreuzungsbereich, Verhinderung des Abkommens von der Fahrbahn auf der Landstrase usw.). Fur jeden Unfalltyp wurden dann anhand der schriftlichen Unfallprotokolle die Fehlhandlungen der Fahrer und ihre Ursachen bestimmt in Anlehnung an Fehlermodelle von Hacker und Rasmussen. Aus der Analyse der Fehlhandlung lasst sich ableiten, welche Funktion das Fahrerassistenzsystem in der bestimmten Situation bieten musste (z.B. verhindern, dass der Fahrer losfahrt, obwohl er einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug Vorfahrt gewahren musste). Die Ursache der Fehlhandlung liefert Informationen daruber, mit welcher Eingriffsstrategie das Assistenzsystem diese Fehlhandlung verhindern kann. Ist der Fahrer z.B. abgelenkt, so konnte eine Warnung, die die Aufmerksamkeit auf die relevanten Fahrzeuge lenkt, ausreichen, um den Unfall zu verhindern. Treffen Fahrer dagegen fehlerhafte Entscheidungen, so ist ein Eingriff des Systems notwendig, um diese Entscheidungen zu korrigieren. Die Analysen zeigen, dass drei Gruppen von Funktionalitaten uber 70% der schweren Unfalle verhindern konnten. Dies ist eine Kreuzungsassistenz, die bevorrechtigte Fahrzeuge und Radfahrer aus unterschiedlichen Richtungen erkennen kann, ein System zur Kollisionsvermeidung im Langsverkehr mit situationsabhangiger Abstands- und Geschwindigkeitsregelung, das stehende Fahrzeuge erkennt und den Fahrer beim Bremsen unterstutzt und ein System zur situationsabhangigen Geschwindigkeitsregulation mit Unterstutzung der Querfuhrung. Dabei ist je nach Situation eine unterschiedliche Eingriffsstrategie erforderlich. Insgesamt zeigt sich ein hohes Unfall vermeidendes Potenzial vor allem im Bereich der Kreuzungsassistenz bereits fur warnende Systeme, die dem Fahrer die Entscheidung und Handlungsausfuhrung uberlassen. In den anderen Situationen ist eine effektive Unfallvermeidung zum grosen Teil nur durch automatisch eingreifende Systeme zu erwarten.
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