Internetbasierte Untersuchungen zur diagnostischen Klassifikation und Kodierung psychischer Störungen im Vergleich von ICD-11 und ICD-10

2018 
Die Deutsche Gesellschaft fur Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat federfuhrend (Projektleitung WG) in Kooperation mit vier weiteren medizinischen Fachgesellschaften (DGPM, DGPPR, DeGPT, DGfS) * eine von elf der vom Bundesministerium fur Gesundheit geforderten Validierungsstudien zur Unterstutzung der WHO-Revision der ICD-10 zur ICD-11 durchgefuhrt. Die internetbasierte Feldstudie hatte zum Ziel, fur ausgewahlte Kategorien aus dem Bereich psychischer Erkrankungen (Betadraft, Kapitel 6 und 17) die Konsistenz (Reliabilitat) der Diagnosestellung (Teilprojekt TP 1) sowie der Zuweisung diagnostischer Codes (TP 2) nach ICD-11 im Vergleich zur ICD-10 zu uberprufen sowie Anwendereinschatzungen zur Praktikabilitat und Nutzerfreundlichkeit zu erheben. TP 1 untersuchte in randomisiertem Design die Konsistenz der Diagnosestellung anhand von zehn Fallvignetten mittels klinischer Diagnoseleitlinien uber die WHO GCPN-Plattform ** mit Hilfe von 319 rekrutierten Mitgliedern der beteiligten Fachgesellschaften. Hypothesenkonform war die Konsistenz fur ICD-11 signifikant hoher als fur ICD-10 (p = 0,02). Zusatzlich waren Zeitdauer der Diagnosestellung kurzer (p = 0,01) und Anwenderbeurteilungen positiver fur ICD-11 hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit (p = 0,047) und Passgenauigkeit (p Ebenfalls randomisiert wurde in TP 2 die Konsistenz der Kodierung fur 25 explizite Diagnosen mit kurzen epikritischen Fallbeschreibungen fur ICD-11 und ICD-10 mittels WHO FiT-Tool *** erfasst (n = 531 Kodierungen von 120 Teilnehmenden). Entgegen der Hypothese fand sich eine unterlegene Konsistenz korrekter Kodierung fur ICD-11 vs. ICD-10 (71 % vs. 82 %; p < 0,001) sowie ein hoherer Zeitbedarf fur ICD-11 (p < 0,001). Hingegen war die Nutzerbewertung fur ICD-11 erneut uberlegen (p Zusammenfassend weist die ICD-11 in der diagnostischen Gute bessere, in der Kodierleistung schlechtere Konsistenzergebnisse auf als ICD-10. Die Ergebnisse belegen, dass die revidierten diagnostischen Leitlinien die Qualitat des diagnostischen Prozesses gunstig beeinflussen, was durch die zeitlichen Leistungsmase und Nutzerbeurteilungen gestutzt wird. Demgegenuber fallen die Kodierleistungen fur die ICD-11 noch zuruck, was sowohl auf die mogliche hohere Kodierkomplexitat (z. B. Komplex-Codes mit sog. „post-coordination“) als auch auf den ungeubten Umgang mit dem neuen Kodiertool fur ICD-11 zuruckzufuhren sein durfte. Dennoch wird der neue Kodierprozess aufgrund erweiterter und systematischerer Kodieroptionen gunstiger beurteilt als fur ICD-10. In den Verlaufen der zeitlichen Leistungsmase zeichnen sich uberdies Lernerfolge fur ICD-11 ab, die darauf hinweisen, dass eingehende Schulungs- und Trainingsmasnahmen im Rahmen der kunftigen Praxisimplementierung von ICD-11 nicht nur erforderlich, sondern auch erfolgreich sein durften. Die uber Diagnosekategorien hinweg variablen Konsistenzergebnisse weisen allerdings auch darauf hin, dass es in der gegenwartigen Entwurfsfassung der ICD-11 noch Verbesserungspotenziale fur Diagnostik und Kodierung gibt, die in abschliesenden und kontinuierlichen Revisionsmasnahmen i. S. eines „living document“ zu berucksichtigen sind.
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