Das ZNS als B-Zell-permissives Milieu bei der Multiplen Sklerose

2017 
Bei der MS ist das ZNS nicht nur passives Zielorgan des uberaktiven Immunsystems, sondern hirneigene Zellen, wie z.B. Astrozyten, greifen auch selber aktiv in den Erkrankungsprozess ein, z.B. durch die Produktion von Zytokinen. Bzgl. der Frage „Wie entsteht im ZNS ein B-Zell-permissives Milieu?“ konnten wir zeigen, dass Astrozyten bereits im gesunden Gehirn BAFF produzieren. Unter entzundlichen Bedingungen steigerte sich die BAFF-Expression erheblich und erreichte in situ das Niveau sekundarer lymphatischer Organe, und uberstieg in vitro sogar deutlich das Niveau optimal aktivierter Makrophagen. Daher ist anzunehmen, dass das von Astrozyten produzierte BAFF bei Patienten mit MS dazu beitragt, dass B-Zellen eine Uberlebensnische im ZNS finden. Die Migration von B-Zellen in das ZNS wird u.a. von Chemokinen kontrolliert. B-Zellen tragen Chemokinrezeptoren insb. fur CCL19 und CCL21, CXCL12 und CXCL13. Wir haben eine differentielle Expression dieser Chemokine bzgl. der Aktivitat der Lasionen und der produzierenden Zellen gefunden. CCL19 und CXCL12 wurden bereits im gesunden Gehirn und verstarkt in MS-Lasionen exprimiert. Im Gegensatz zu CCL19 fanden wir CCL21, das an den gleichen Rezeptor wie CCL19, CCR7, bindet, weder in gesundem Gehirn noch in MS-Lasionen. CXCL13 fand sich ausschlieslich in aktiven MS-Lasionen. Der Gehalt von sowohl CCL19 als auch CXCL13 korrelierte mit dem IgG-Quotienten, derjenige von CXCL13 zusatzlich mit der Zahl der B- und Plasmazellen im Liquor. Neben den molekularen Faktoren, die ein B-Zell-permissives Milieu im ZNS schaffen, haben wir untersucht, welche Auswirkung Medikamenten zur Therapie der MS speziell auf CD20-positive Zellen und das BAFF-/B-Zell-System haben, insb. da dies oft nicht der initial intendierte Wirkmechanismus war. Hierbei zeigte sich, dass Interferon- und Fingolimod die BAFF-Expression in Astrozyten beeinflussen. Rituximab fuhrt – a.e. durch den Depletions-bedingt verminderten Verbrauch – zu einer Erhohung der verfugbaren BAFF-Spiegels im Blut. Somit wird BAFF durch mehr Medikamente reguliert, als ursprunglich angenommen. Fur welche Patientengruppe dieser Aspekt am relevantesten ist, wird sich in weiteren Arbeiten zeigen. Natalizumab hatte unter den verschiedenen Lymphozytensubpopulationen im Blut den grosten Effekt auf B-Zellen. Andersherum konnten wir zeigen, dass eine hochselektive Anti-CD20-Therapie nicht nur B-Zellen, sondern auch eine ungewohnliche Subpopulation CD3+CD20+ T-Zellen depletiert, jedoch nicht so lange anhaltend wir B-Zellen. Diese CD3+CD20+ T-Zellen wiesen bevorzugt, aber nicht ausschlieslich, den Phanotyp von CD8+ Effektor-Memory-Zellen auf. Bzgl. der Frage „Lasst sich an intrathekal produziertem IgG ein inflammatorisches Glykosylierungsmuster feststellen?“ konnten wir zeigen, dass das Glykosylierungsmuster von IgG im Liquor, aber nicht im Blut, bei Patienten mit MS in Richtung eines pro-inflammatorischen Musters verschoben ist. Ursachlich ist vermutlich ein Einfluss des entzundlichen Milieus, in dem die Antikorper-produzierenden Zellen sich befinden, wobei die molekularen Regulationsmechanismen noch Gegenstand weiterer Forschung sind. Da ein solches IgG-Glykosylierungsmuster die IgG-Effektormechanismen wie CDC und ADCC moduliert, erscheint ein positiver Ruckkopplungskreis plausibel. Die Kenntnis der molekularen Mechanismen, die ein B-Zell-permissives Milieu im ZNS schaffen, und wie dies bereits jetzt durch Medikamente beeinflusst wird, kann ebenso wie Details zur Pathophysiologie der B-Zell-Antwort im ZNS, z.B. der IgG-Glykosylierung, dazu beitragen, die Erkrankung MS genauer zu verstehen und in Zukunft besser behandeln zu konnen.
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