Michaelstein, 5. bis 7. Mai 2006: XXXIV. Wissenschaftliche Arbeitstagung „Zur Flötenmusik in Geschichte und Aufführungspraxis von 1650 bis 1850“

2016 
Die Feststellung, dass sich 19 Referenten aus Deutschland, Osterreich, der Schweiz, Grosbritannien und den USA am Tagungsgeschehen beteiligten, sagt nichts uber die Lebendigkeit und den Ertrag beim Austausch von Wissenschaftlern und Kunstlern aus. Sie gibt auch keinen Hinweis auf die verschiedenen Herangehensweisen an das Generalthema und die interdisziplinaren Verknupfungen durch Einschliesen von Musik, Literatur und Bild ebenso wie von Musikethnologie, Kulturtransferforschung oder Instrumentenbau. Und eben diese Komplexitat war die Starke auch dieser Michaelsteiner Arbeitstagung, die sich nach wie vor nur allzu bescheiden als eine solche bezeichnet, und von der doch alljahrlich masgebliche Impulse fur die wissenschaftlich fundierte Auffuhrungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts ausgehen, teilweise erweitert bis in die Gegenwart und wiederum verbunden mit Konzerten, darunter der Cappella Coloniensis, und musikalischen Demonstrationen. Flotenwerke Telemanns aus dem Notenarchiv der Berliner Singakademie wertete RalphJurgen Reipsch (Magdeburg) bezuglich Kontakten Telemanns zu Berliner Zeitgenossen aus. Manfredo Zimmermann (Wuppertal) praktizierte, wie Sprache und Artikulationsasthetik im Spiel miteinander korrespondieren und machte die Unzulanglichkeiten bei den Notierungen alterer Musik bewusst. Verkaufslisten von Floten zwischen 1650 und 1800 wertete David Lasocki (Bloomington) bezuglich Begrifflichkeit und Typenvielfalt aus, wahrend Monika Lustig (Michaelstein) den Flotenbestand der Sammlung Michaelstein mit dem Schwerpunkt vogtlandischer Hersteller vorstellte. Auf groses Interesse stiesen Referate mit musikalischen Demonstrationen: Nikolaj Tarasov (Stuttgart/Reinach) raumte mit der tradierten Meinung auf, zwischen etwa 1750 und 1920 sei die Blockflotenentwicklung unterbrochen, hingegen erorterten Dorothee Oberlinger (Salzburg/ Koln) und Karsten Erik Ose (Koln) die Trends der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts in der Ausfuhrung alter Blockflotenmusik. Rachel Brown (London) diskutierte engagiert die KadenzInterpretation in Mozarts Flotenkonzerten. Am Beispiel von Mozarts Zauberflote stellte Wilhelm Seidel (Neckargemund/Leipzig) den Aspekt der Wirkung von Instrumenten heraus. Hermann Jung (Neckargemund/Mannheim) band die Flote in das Umfeld des Pastoralen ein, wahrend Dieter Gutknecht (Koln) den Bogen des Orchesterinstruments von Keiser bis Mozart spannte. Auf fur die Interpretation zu nutzende zeitgenossische englische Vokalmusik-Drucke mit Flotenversionen machte Peter Reidemeister (Basel) aufmerksam. Carsten Hustedt (Karlsruhe) stellte die Flotenkonzerte Georg Metzgers in den Zusammenhang der Mannheimer Schule. Die Stellung der Flote im Musikgeschehen auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt analysierte Ute Omonsky (Michaelstein). Joachim Kremer (Stuttgart) thematisierte die Flotenmusik im Freundschaftskult. Gisa Jahnichen (Frankfurt am Main/Berlin) positionierte das Instrument innerhalb des internationalen Kulturtransfers, und Klaus-Peter Koch setzte sich mit dem Einfluss der migrierenden deutschen Flotisten und ihrer Musik auf das russische Musikleben seit Peter I. auseinander. Die Bedeutung von Flote, Flotisten und Flotenmusik im Wien des fruhen 19. Jahrhunderts stellte Hartmut Krones (Wien) richtig. Konrad Hunteler (Munster) arbeitete die pragende Kraft von Theobald Bohm fur Instrumentenbau, Spielpraxis und Repertoire heraus. Fazit der Referate und Diskussionen: Bisherige falsche Meinungen konnten anhand neuer Quellen bzw. erneuter Quellensichtung richtig gestellt, spezifische Fragen praziser beantwortet werden, und das ist der Sinn eines wissenschaftlichen Disputs es wurden neue Fragen aufgeworfen. Nicht zuletzt zeigt sich, welch grosen Erkenntnisgewinn der interdisziplinare Aspekt und die Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Kunstlern zu bringen vermag.
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