Rhabdomerorganisation und –morphogenese im Komplexauge von Drosophila

2009 
Sehzellen von Insekten sind epitheliale Zellen mit einer charakteristischen, hochpolaren Morphologie und Organisation. Die molekularen Komponenten der Sehkaskade befinden sich im Rhabdomer, einem Saum dicht gepackter Mikrovilli entlang der Sehzelle. Bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde beschrieben, dass die Mikrovilli entlang einer Sehzelle eine unterschiedliche Ausrichtung besitzen, oder in anderen Worten, die Rhabdomere entlang der Sehzell-Langsachse verdreht sind. So sind in den Sehzellen R1-R6 bei dipteren Fliegen (Calliphora, Drosophila) die Mikrovilli im distalen und proximalen Bereich eines Rhabdomers etwa rechtwinkelig zueinander angeordnet. Dieses Phanomen wird in der Fachliteratur als rhabdomere twisting bezeichnet und reduziert die Empfindlichkeit fur polarisiertes Licht. Es wurde fur das Drosophila-Auge gezeigt, dass diese strukturelle Asymmetrie der Sehzellen mit einer molekularen Asymmetrie in der Verteilung phosphotyrosinierter Proteine an die Stielmembran (einem nicht-mikrovillaren Bereich der apikalen Plasmamembran) einhergeht. Zudem wurde gezeigt, dass die immuncytochemische Markierung mit anti-Phosphotyrosin (anti-PY) als lichtmikroskopischer Marker fur das rhabdomere twisting verwendet werden kann. Bisher wurde hauptsachlich die physiologische Bedeutung der Rhabdomerverdrehung untersucht. Es ist wenig uber die entwicklungs- und zellbiologischen Grundlagen bekannt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Identitat der phosphotyrosinierten Proteine an der Stielmembran zu klaren und ihre funktionelle Bedeutung fur die Entwicklung des rhabdomere twisting zu analysieren. Zudem sollte untersucht werden, welchen Einfluss die inneren Sehzellen R7 und R8 auf die Verdrehung der Rhabdomere von R1-R6 haben. Fur die zwei Proteinkinasen Rolled (ERK) und Basket (JNK) vom Typ der Mitogen-aktivierten Proteinkinasen (MAPK) konnte ich zeigen, dass sie in ihrer aktivierten (= phosphorylierten) Form (pERK bzw. pJNK) eine asymmetrische Verteilung an der Stielmembran aufweisen vergleichbar der Markierung mit anti-PY. Weiterhin wurde diese asymmetrische Verteilung von pERK und pJNK ebenso wie die von PY erst kurz vor Schlupf der Fliegen (bei ca. 90% pupaler Entwicklung) etabliert. Durch Prainkubationsexperimente mit anti-PY wurde die Markierung mit anti-pERK bzw. anti-pJNK unterbunden. Diese Ergebnisse sprechen dafur, dass pERK und pJNK zu den Proteinen gehoren, die von anti-PY an der Stielmembran erkannt werden. Da es sich bei ERK und JNK um Kinasen handelt, ist es naheliegend, dass diese an der Entwicklung des rhabdomere twisting beteiligt sein konnten. Diese Hypothese wurde durch die Analyse von hypermorphen (rl SEM)und hypomorphen (rl 1/rl 10a) Rolled-Mutanten uberpruft. In der rl SEM-Mutante mit erhohter Aktivitat der Proteinkinase erfolgte die asymmetrische Positionierung von pERK an der Stielmembran sowie die Mikrovillikippung schon zu einem fruheren Zeitpunkt in der pupalen Entwicklung. Im adulten Auge war die anti-PY-Markierung im distalen Bereich der Sehzellen intensiver sowie der Kippwinkel vergrosert. In der rl 1/rl 10a-Mutanten mit reduzierter Kinaseaktivitat waren die anti-PY-Markierung und der Kippwinkel im proximalen Bereich der Sehzellen verringert. Die Proteinkinase ERK hat somit einen Einfluss auf die zeitliche Etablierung des rhabdomere twisting wie auch auf dessen Auspragung im Adulttier. Die Rhabdomerverdrehung sowie die Anderung im anti-PY-Markierungsmuster erfolgen an den Sehzellen R1-R6 relativ abrupt auf halber Ommatidienlange, dort wo das Rhabdomer von R7 endet und das von R8 beginnt. Es stellte sich deshalb die Frage, ob die Rhabdomerverdrehung an R1-R6 durch die Sehzelle R7 und/oder R8 beeinflusst wird. Um dieser Frage nachzugehen wurden Mutanten analysiert, denen die R7- oder die R8-Photorezeptoren bzw. R7 und R8 fehlten. Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass bei Fehlen von R8 die Rhabdomerverdrehung bei R1-R6 nach keinen erkennbaren Regeln erfolgt. R8 ist somit Voraussetzung fur die Etablierung der Rhabdomerverdrehung in R1-R6. Folgendes Modell wurde auf Grundlage dieses und weiterer Ergebnisse erarbeitet: Im dritten Larvenstadium rekrutiert R8 die Sehzellpaare R2/R5, R3/R4 und R1/R6. Dabei werden R1-R6 durch den Kontakt zu R8 „polarisiert“. Abschliesend wird R7 durch R8 rekrutiert. Dies fuhrt zu einer Fixierung der Polaritat von R1-R6 durch R7. Die Ausfuhrung der Mikrovillikippung anhand der festgelegten Polaritat erfolgt in der spaten Puppenphase. Die Proteinkinase ERK ist an diesem letzten Morphogeneseprozess beteiligt.
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