Mechanismen der tiefen Hirnstimulation

2004 
Die tiefe Hirnstimulation ist eine empirisch basierte Therapie, die auf die Erfahrungen der intraoperativen Teststimulation bei stereotaktischen Hirnoperationen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zuruckgeht. Aufgrund der klinischen Effekte unterschied man damals eine niederfrequente „aktivierende“ Stimulation (1-5 Hz), die etwa bei thalamischen Eingriffen den Tremor antrieb, von einer hochfrequenten „blockierenden“ Stimulation (50-200 Hz), die den Effekt einer nachfolgenden Lasion imitierte. Wir wissen heute, dass die tiefe Hirnstimulation in den derzeit verwendeten Zielgebieten Nucleus ventrointermedius thalami (VIM), Globus pallidus internus (GPi) und Nucleus subthalamicus (STN) einen reversiblen „lasionsahnlichen“ Effekt hat. Diese funktioneile Inhibition der entsprechenden Kerngebiete ist frequenzabhangig. Fur die Thalamusstimulation konnten Benabid und Kollegen [4] zeigen, dass die zur effektiven Unterdruckung des Tremors erforderliche Stromstarke steil bis zu einer Frequenz von etwa 100 Hz abfallt und dann ein Plateau erreicht, in dem die Schwelle fur die Tremorsuppression bis uber 1000 Hz weitgehend konstant bleibt. Die meist verwendete Frequenz von 130 Hz entstand aus dem praktischen Bedurfnis, einen mit hoher Sicherheit wirksamen Parameter fur die Testung der ubrigen Stimulationseinstellungen konstant zu halten und gleichzeitig den Energieverbrauch der Stimulation zu minimieren. Auch fur die STN-Stimulation [44] und die Pallidumstimulation [16, 68] wurde belegt, dass erst Frequenzen uber 100 Hz wirksam sind. Insgesamt wurden die heutigen Standardparameter der tiefen Hirnstimulation (monopolar kathodisch, Frequenz: 130 Hz, Impulsbreite: 60-90, selten bis 210 μs, Amplitude: 1-3,5 V) mehr oder minder durch „Versuch und Irrtum“ etabliert [67]. Diese Vorgehensweise war klinisch moglich, weil bei den ersten Anwendungen des Verfahrens im Bereich der Bewegungsstorungen die Symptome (Tremor, Rigor oder Bradykinese) mit nur kurzer Verzogerung ansprachen und daher eine schnelle Ruckmeldung uber den Therapieeffekt lieferten. Bei neuen Indikationen wie der Dystonie, aber auch psychiatrischen Erkrankungen oder der Epilepsie, treten die Effekte jedoch teilweise so verzogert ein, dass es schwierig oder unmoglich ist, die Stimulationsparameter anhand klinischer Kriterien zu optimieren. Zukunftige Entwicklungen in der tiefen Hirnstimulation werden daher in zunehmendem Mase davon abhangen, die physiologischen Wirkmechanismen der Hochfrequenzstimulation (HFS) besser zu verstehen.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    75
    References
    4
    Citations
    NaN
    KQI
    []