In situ Visualisierung des ammonothermalen Kristallisationsprozesses mittels Röntgenmesstechnik
2018
Das Kernziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, Rontgenmesstechniken
zur in situ Untersuchung ammonothermaler Prozesse zu etablieren. Dies beinhaltete zunachst den Aufbau integrierter Anlagen fur Rontgenmessungen und
ammonothermale Experimente bei Temperaturen bis 600 °C und Drucken bis
300 MPa. Die Anlagen kamen anschliesend zur Adressierung ausgewahlter
Fragestellungen zum Einsatz. Dabei wurden zum einen Moglichkeiten und
Grenzen des Einsatzes von Rontgenmesstechniken zur direkten Verfolgung
ammonothermaler Prozesse evaluiert und zum anderen eine Reihe erster,
grundlegender Ergebnisse gewonnen.
Die in situ Rontgenabbildung erwies sich als vielseitig nutzbares und robustes
Werkzeug zur Untersuchung chemischer Reaktionen und Transportprozesse
unter ammonothermalen Bedingungen. Verfolgt wurden dabei zunachst Grosenanderungen des abgebildeten GaN-Kristalls, wodurch erstmals die Sattigung ammonothermaler Losungen in situ beobachtet werden konnte. Es stellte sich heraus, dass die Literaturdaten zur Loslichkeit von GaN unter ammonothermalen Bedingungen teils um eine Grosenordnung zu hoch lagen. Weiterhin konnte die Kinetik der Auflosung erstmals in situ verfolgt werden.
Da die Abnahme der Kristallgrose gut messbar ist, wird erwartet, dass eine
Anwendung auf zur Kristallzuchtung geeignete Aufbauten ohne grosere Probleme umsetzbar ist und eine in situ Messung von Wachstumsraten ermoglicht.
Weiterhin zeigte sich, dass auch Prozesse im Fluid mittels in situ Rontgenabbildung messtechnisch erfassbar sind. Diese umfassen Anderungen der Ammoniakdichte bei Phasenubergang oder Anderung der im Druckbehalter befindlichen Stoffmenge sowie Konzentrationsanderungen geloster Stoffe. Bei der Auflosung von GaN mit dem Mineralisator Ammoniumfluorid sind haufig deutlich messbare lokale Inhomogenitaten in der Konzentrationsverteilung geloster Gallium-haltiger Intermediate zu beobachten. Mittels Abbildung dieser Schlieren war erstmals eine direkte Beobachtung des Transports geloster Stoffe im ammonothermalen Autoklav moglich. Die beobachtete unerwartet geringe Transportgeschwindigkeit ist ein Indiz dafur, dass zum einen die Viskositat des Gemisches erheblich groser als diejenige von reinem Ammoniak ist und es zum anderen wahrscheinlich zur Bildung groserer [Ga x F y ] 3x-y Aggregate kommt.
Die mit dem vorhandenen Aufbau erreichbare laterale Auflosung der 2D-Rontgenabbildung betragt bis zu 15 µm. Allerdings ist diese nur in Bezug auf die Beobachtung von Veranderungen erzielbar und setzt voraus, dass die zu untersuchende Fragestellung umfangreiche Rauschreduktion (durch Mitteln von Einzelaufnahmen sowie uber einheitliche Bildbereiche hinweg) erlaubt. Die laterale Auflosung in Bezug auf absolute Dimensionen bzw. Positionen liegt bei
etwa 500 µm und wird durch die Divergenz der Rontgenstrahlung begrenzt.
Die Nachweisgrenze fur Anderungen der Absorption in axialer Richtung (Dicken, Dichten oder Konzentrationen) lasst sich am universellsten als linearer
Schwachungskoeffizient ausdrucken. Die ermittelte Detektionsgrenze von
1,21 ± 0,15 m -1 entspricht einer Gallium-Konzentration von 0,13 mol/l.
Die Moglichkeit, Konzentrationsanderungen geloster Stoffe zu beobachten, ist
auch relevant fur die Anwendung der in situ Rontgen-Transmissionsmessungen
auf neue Materialien, welche noch nicht als Volumenkristall verfugbar sind.
Diese konnen hinsichtlich ihrer Loslichkeit in ammonothermalen Reaktions-
medien untersucht werden, was Ruckschlusse auf die Synthesemechanismen
erlaubt und am Beispiel von ZnGeN 2 gezeigt wurde.
Erganzend zu den in situ Rontgenmesstechniken wurden Messungen der Innentemperatur genutzt, um ammonothermale Prozesse zu untersuchen. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die in situ Messung von Fluidtemperaturen zu den Rontgenmessungen komplementare Einblicke in die chemisch-physikalischen
Prozesse in ammonothermalen Autoklaven bietet. Dies umfasst Einblicke in
die Stromung bzw. den konvektiven Warmetransport ebenso wie die Beobachtung von chemischen Prozessen, sofern diese mit Enthalpieanderungen bzw. lokalen Temperaturanderungen einhergehen.
Im Bereich der ammonothermalen Kristallisation selbst zeigte sich, dass eine
Ubersattigung der Losung auch bei teilweisem Entzug des Losemittels bzw.
Druckreduktion auftritt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die typischerweise genutzten hohen Drucke primar fur die Auflosung von GaN bzw. fur die Bildung Ga-haltiger Intermediate erforderlich sind.
Da eine Verringerung der Rontgenabsorption der Sichtfenster im Vergleich zu
Saphir fur alle rontgenbasierten in situ Messmethoden sehr vorteilhaft ist, wurden potentiell als Rontgenfenster geeignete Werkstoffe aus leichten Elementen auf ihre chemische Bestandigkeit in ammonothermalen Reaktionsmedien untersucht. Hierbei wurden insbesondere Borcarbid und Diamant als vielversprechende Materialien identifiziert. Borcarbid ist zwar nur in Kombination mit Na-basierten Mineralisatoren uneingeschrankt einsetzbar, bietet jedoch den grosen Vorteil, problemlos in der etablierten Geometrie verfugbar zu sein.
Umgekehrt bestehen bei Diamant Einschrankungen in der wirtschaftlichen Verfugbarkeit von mehrere Millimeter dickem Material. Langfristig gesehen bietet Diamant jedoch den enormen Vorteil der universellen Bestandigkeit
in allen getesteten, sowohl ammonosauren als auch ammonobasischen Reaktionsmedien. Ein Losungsansatz zur Erschliesung von Diamant als Fenstermaterial fur ammonothermale Autoklaven besteht in der Aufteilung der Funktionen Druckbestandigkeit und chemische Bestandigkeit auf getrennte Bauteile.
Weitere Ansatze sind eventuell mogliche Anpassungen der Konstruktion der
Fensterbaugruppe sowie Einsatz dunnerer Fenster bei ausgewahlten Experimenten mit geringen Drucken. Fur die
in situ Rontgenbeugung wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit das etablierte Fensterkonzept in Verbindung mit Fenstern aus Borcarbid gewahlt.
Die in situ Rontgenbeugung konnte in Grundzugen methodisch etabliert werden. Zum Schwenken des Kristalls wahrend der Messung wurde eine drehbare
Durchfuhrung entwickelt und erprobt, welche die Rotation des Kristalls unter
Prozessbedingungen ermoglicht und so sicherstellt, dass alle Domanen des Kristalls zur Breite des Beugungsreflexes beitragen konnen. Die aufgebaute
Anlage zur in situ Rontgenbeugung ermoglicht erstmals eine Beobachtung von
Breite und Position des (0002)-Reflexes unter Prozessbedingungen. Dies erschliest die Moglichkeit, die Evolution der Kristallqualitat wahrend des ammonothermalen Kristallwachstums in situ zu verfolgen.
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