Respiratory Syncytial Virus-assoziierte Atemwegserkrankungen auf pädiatrischen Intensivstationen und ihre Bedeutung im Vergleich zu weiteren viralen Atemwegserkrankungen

2015 
In dieser Dissertation wurden die Haufigkeit und das klinische Erscheinungsbild von Kindern mit schwerer RSV-assoziierten akuten Atemwegserkrankung (ARE) auf padiatrischen Intensivstationen untersucht. Die Daten stammen aus einer prospektiven multizentrischen Studie zu intensivstationar behandelten viralen ARE bei Kindern, die im Studienzeitraum von Oktober 2010 – September 2013 durchgefuhrt wurde und an der bayernweit 23 von 30 Kliniken (77%) mit padiatrischen Intensivstationen teilnahmen. RSV war mit 31% aller Erregernachweise in der Multiplex-PCR und mit 28% aller untersuchten PICU-ARE-Patienten der haufigste virale respiratorische Erreger auf padiatrischen Intensivstationen. Die Halfte der Patienten war mannlich und das mediane Alter der betroffenen Kinder lag bei 2,5 Monaten mit einem (IQR von 1,5 bis 19,2 Monaten, min. 0,6 Monate alt, max. 193 Monate ~ 16,1 Jahre). Die hohe Bedeutung schwerer RSV-Infektionen im ersten Lebensjahr wurde dadurch belegt, dass 70% aller Patienten Sauglinge waren. Das haufigste Symptom bei Aufnahme auf die Intensivstation war Atemnot (93%). Es folgten an zweiter und dritter Stelle die Symptome Husten (78%) und Trink- und Nahrungsverweigerung (63%). Pathologische rontgenologische Befunde des Thorax wurden bei 85% der Kinder erhoben. In der Schweregradbeurteilung mittels SIC-Score wurden von den behandelnden Arzten 17% der Kinder bei Aufnahme als lebensbedrohlich erkrankt eingestuft. Die haufigsten Diagnosen bei intensivstationar behandelten Kindern mit RSV-assoziierter ARE waren mit 86% Bronchiolitis, Infektionen der oberen Atemwege (76%) und Pneumonie (58%). Von den erkrankten Kindern hatten 46% mindestens eine Grunderkrankung. Die haufigsten waren Fruhgeburtlichkeit (23%), neurologische Vorerkrankungen (17%) und pulmonologische Vorerkrankungen (14%). Die haufigste Behandlungsmasnahme war die Sauerstoffgabe (88%) fur eine mediane Dauer von 4 Tagen (IQR 3-7 Tage). Eine CPAP-Behandlung erhielten 36% (mediane Dauer 3 Tage; IQR 2-5 Tage) und eine mechanische endotracheale Beatmung 14% der Patienten (mediane Dauer 7 Tage; IQR 5-10 Tage). Eine orale oder intravenose Antibiotikagabe erhielten 80% aller Patienten. Die mediane Verweildauer im Krankenhaus betrug acht Tage (IQR 6 bis 11 Tage), darauf entfielen vier Tage (IQR von 2 bis 7 Tagen) auf die intensivstationare Betreuung. Von allen Kindern mit RSV-assoziierter ARE konnten 97% das Krankenhaus ohne Krankheitsfolgen verlassen, bei drei (2%) Patienten konnten mogliche Folgeschaden nicht ausgeschlossen werden, und zwei Kinder (1%) mit vorbestehender schwerer Grunderkrankung (eine weibliche Patientin, Alter 1 Jahr mit spinaler Muskelatrophie und progredienter respiratorischer Insuffizienz; sowie ein mannlicher Patient, Alter 5 Jahre mit spastischer Tetraparese bei Z.n. Asphyxie und hypoxisch-ischamischer Enzephalopathie) verstarben wahrend des intensivstationaren Aufenthalts. Interessanterweise war die stationare Aufenthaltsdauer von alteren Kindern (> 3-17 Jahre) signifikant langer (2 Tage im Median) als die jungerer Kinder (≤ 3 Jahre) (p-Wert=0,044). Dies konnte auf eine hohere Pravalenz von Grunderkrankungen bei den alteren Patienten (96% versus 37%; p-Wert=<0,001) zuruckzufuhren sein. Hier wurden v.a. deutliche Unterschiede bei neurologischen (57% versus 9% p-Wert=<0,001) und pulmonologischen (39% versus 9%; p-Wert=0,001) Grunderkrankungen beobachtet. Eine respiratorische Partialinsuffizienz war ein haufigeres Symptom bei den alteren Kindern (87% versus 58%; p-Wert=0,009), bei denen die Diagnose Pneumonie in der Tendenz (74% versus 56; p=0,113) und ARDS (22% versus 5%; p-Wert=0,013) signifikant haufiger vorkam. Eine Trink- und Nahrungsverweigerung kam, nicht uberraschend, bei den jungeren Kindern haufiger (68% versus 35%; p-Wert=0,004) vor, ebenso die Diagnosen Bronchitis/Bronchiolitis (92% versus 52%; p-Wert=<0,001) und Infektion der oberen Atemwege (80% versus 57%; p-Wert=0,030). Die Inzidenz schwerer RSV-assoziierter ARE bei Kindern auf Intensivstationen lag fur die erste Saison bei 31/100.000/Jahr, fur die zweite Saison bei 27/100000/Jahr und fur die dritte Saison bei 29/100.000/Jahr. In der prospektiven Studie von Forster et al. mussten 1117/100000 aufgrund einer RSV-Infektion hospitalisiert werden [24], eine Inzidenzabschatzung zu intensivstationar behandelten Kindern mit RSV in Deutschland gibt es in dieser Form noch nicht. Bei 24% der Kinder mit RSV-assoziierter ARE konnte parallel in der durchgefuhrten Multiplex-PCR Untersuchung, die insgesamt 19 virale Erreger nachweisen kann, ein weiterer viraler Erreger nachgewiesen werden. Bei RSV waren 34% Mehrfachinfektionen (30% waren Doppelinfektionen, 4% waren Dreifachinfektionen). Das CoV war mit 9% der haufigste zusatzlich nachgewiesene Erreger, darauf folgten RV mit 7% und hBoV mit 4%. Kinder mit viraler Mehrfachinfektion waren im Median 4,4 Monate alter als Kinder mit RSV-Monoinfektion (p-Wert=0,030). Die Symptome Atemnot (97% versus 83%; p-Wert=0,017) und Trink- und Nahrungsverweigerung (73% versus 42%; p-Wert=0,003) kamen bei Kindern mit RSV-Monoinfektion haufiger vor. Bezuglich des Schweregrades der Erkrankung gab es keinen Unterschied zwischen Kindern mit Mono- oder Mehrfachinfektion. Neurologische Vorerkrankungen waren jedoch haufiger bei Kindern mit viralen Mehrfachinfektionen (31% versus 9%; p-Wert=0,005) Pradisponierende Faktoren/chronische Vorerkrankungen kamen bei den viralen Mehrfachinfektionen haufiger vor (61% versus 31%; p-Wert=0,004). Insgesamt waren virale Mehrfachinfektionen mit einem Drittel aller RSV-ARE haufig. Die vorliegende Dissertation bestatigt die Bedeutung von RSV als haufigen Erreger akuter respiratorischer Infektionen der Winter- und Fruhlingsmonate in Deutschland und als haufige Ursache fur Hospitalisationen, v.a. im fruhen Kindesalter. In dieser Dissertation konnte die besondere Bedeutung von RSV als Ursache fur intensivstationar behandlungspflichtige Atemwegserkrankungen im Kindesalter hervorgehoben werden. Es ist bemerkenswert, dass RSV mit fast 30% der haufigste Erreger bei Kindern mit respiratorischen Infektionen auf Intensivstationen war, die Letalitat mit einem Prozent jedoch vergleichsweise gering war. Bei fast einem Viertel aller Patienten wurde zusatzlich zu RSV mindestens ein weiterer viraler Erreger nachgewiesen. In weiteren Untersuchungen ist zu klaren, ob die parallel nachgewiesenen Erreger gemeinsam pathophysiologisch an der untersuchten schweren Atemwegserkrankung beteiligt sind oder ob sich bei Kleinkindern noch uber zuvor abgelaufene virale Infektionserkrankungen Virus-DNA nachweisen lasst, die dann im Rahmen der nachsten Erkrankung weiterhin nachweisbar ist. Die derzeitig verfugbare passive Immunisierung mit einem monoklonalen Antikorper kommt aufgrund der begrenzten Wirksamkeit und der hohen Kosten nur fur eine kleine Zahl an Hochrisikopatienten in Frage. Ein geeigneter, moglichst im fruhen Sauglingsalter zu applizierender aktiver Impfstoff gegen RSV oder eine maternale Impfung in der Schwangerschaft konnten theoretisch die RSV-Morbiditat insgesamt und insbesondere auch die Zahl schwerer RSV-assoziierter ARE senken.
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