50 Jahre Proteinkinase CK2 - ein Beitrag zur Strukturbiologie eukaryontischer Proteinkinasen

2004 
Die vorliegende Schrift gibt einen Uberblick uber die Forschungsgeschichte und uber den strukturbiologischen Erkenntnisstand der Proteinkinase CK2 (fruher "Caseinkinase 2" genannt). CK2 ist eine Serin/Threonin-Kinase aus der Superfamilie der eukaryontischen Proteinkinasen mit ausgepragter Vorliebe fur saure Substratproteine (Acidophilie). Sie besitzt eine heterotetramere Quartarstruktur und besteht aus zwei katalytischen Untereinheiten (CK2alpha) und zwei nicht-katalytischen Untereinheiten (CK2beta). Dieser (alpha)2(beta)2-Komplex wird auch als "CK2-Holoenzym" bezeichnet. Das Enzym wurde vor 50 Jahren als erste Proteinkinase der Biochemiegeschichte entdeckt. In den darauffolgenden Jahrzehnten hat es eine Fulle verschiedener Benennungen erfahren (Phosvitinkinase, Caseinkinase G, Caseinkinase 2, Glycogensynthase-Kinase 5 u.v.m.), in denen sich aktuelle Entwicklungen der CK2- und der allgemeinen Proteinkinaseforschung widerspiegelten. Diese Namens-und Forschungsgeschichte wird einleitend dargestellt. Der Hauptteil der Schrift ist dann der Strukturbiologie der CK2 gewidmet. Anhand von 3D-Strukturen ist es in den vergangenen Jahren gelungen, die markantesten Eigenschaften des Enzyms auf molekularer Grundlage zu verstehen. In erster Linie ist hier die konstitutive Aktivitat der CK2 zu nennen, das ist das fur eine Proteinkinase ungewohnliche Fehlen inaktiver Zustande und von Regulationsprinzipien, wie sie von anderen Proteinkinasen bekannt sind. 3D-Strukturen von CK2alpha legen nahe, dass die konstitutive Aktivitat eine ureigene, phylogenetisch optimierte Eigenschaft des Enzyms ist, die fur seine physiologische Funktion unerlasslich ist. Fur diese Schlussfolgerung spricht insbesondere auch ein Strukturvergleich von CK2alpha mit seinen nachsten Sequenzverwandten aus der sogenannten CMGC-Familie der eukaryontischen Proteinkinasen: den cyclinabhangigen Kinasen, den mitogenaktivierten Kinasen und der Glycogensynthase-Kinase 3. Diese funktionell bedeutenden Proteinkinasen werden streng reguliert. Die dabei erkennbaren molekularen Details sind zwar auch in CK2alpha noch rudimentar angelegt, jedoch sind sie im Sinne konstitutiver Aktivitat und Acidophilie modifiziert. Eine weitere ungewohnliche Eigenschaft der CK2 ist die Fahigkeit, auser ATP auch GTP als Phosphogruppendonor zu verwenden (duale Cosubstratspezifitat). Die strukturelle Basis dieses Vermogens konnte durch Strukturaufklarungen binarer Komplexe von CK2alpha mit ATP- und GTP-Analoga geklart werden. Ausgehend von diesem Ergebnis wurde eine CK2alpha-Mutante geplant und hergestellt, deren Cosubstratspezifitat deutlich in Richtung ausschlieslicher ATP-Nutzung verschoben war. Die Strukturanalyse dieser Mutante im Komplex mit einem ATP-Analogon zeigte, dass sich die Bindung des Nukleotids in der vorhergesagten Weise verandert hatte. Im Gegensatz zu CK2alpha ist die nicht-katalytische Untereinheit CK2beta ein Protein, von dem fast keine Sequenzverwandten bekannt sind. Diese Einzigartigkeit hat sich auf struktureller Ebene bestatigt: Wahrend die Grundfaltung von CK2alpha mit einer N-terminalen Beta-Faltblatt-Domane und einer C-terminalen Alpha-helikalen Domane bei allen eukaryontischen Proteinkinasen zu finden ist, besitzt die CK2beta-Struktur keinerlei Ahnlichkeit zu den heute bekannten Proteinstrukturen. Die Strukturaufklarung von CK2beta als isoliertes Protein und gebunden an CK2alpha hat obendrein eine hochkonservierte Zinkbindungsstelle offenbart, deren Aufgabe darin besteht, eine stabile Dimerisierungsdomane zu formen. Schlieslich konnte durch Kristallstrukturanalyse Klarheit uber die lange Zeit strittige Architektur des CK2-Holoenzyms erzielt werden. Es bestatigte sich, dass der Kern dieses Komplexes durch ein CK2beta-Dimer gebildet wird, an das zwei CK2alpha-Ketten angelagert sind, ohne miteinander Kontakt zu haben. Uberraschend war dabei vor allem die geringe Grose der CK2alpha/CK2beta-Kontaktflache, wie sie normalerweise fur nicht-permanente Proteinkomplexe typisch ist. Nachdem das CK2-Holoenzym bis Mitte der 90er Jahre als auserst stabiler und permanenter Komplex galt und CK2alpha und CK2beta nur im Zusammenhang mit diesem Holoenzym bekannt waren, passen diese Befunde zu verschiedenen, seither aufgetauchten Indizien, wonach die Untereinheiten unabhangig vom Holoenzym existieren und eigene Funktionen erfullen konnen. Im Schlussteil dieser Schrift wird das Erklarungspotential der CK2-Kristallstrukturen noch einmal zusammengefasst. Es wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die Strukturen fur die spezifisch biologischen Aspekte der CK2-Forschung des Enzyms haben, und gezeigt, dass sie - obgleich ihrem Wesen nach von begrenzter Aussagekraft - dennoch nicht irrelevant sind, weil sie neben ihrer Erklarungskraft auch ein wichtiges Hypothesepotential besitzen.
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