Tendenzen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1989

2013 
Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts setzte mit der epochalen Wende 1989 ein. In diesem turbulenten Jahr kam es am 9. November in Berlin zur Offnung der Mauer. Das war ein Ereignis von historischer Tragweite, das die politische Weltkarte grundlegend veranderte und Spuren nicht nur in der politischen, sondern auch in der kulturellen Landschaft Deutschlands hinterlassen hat. Von einer Zasur zu sprechen, die mit der von 1945 vergleichbar ist, scheint nicht ubertrieben, markieren doch beide Daten Wendepunkte in der Geschichte. Danach blieb nichts, wie es war — weder in Deutschland, Europa noch in der Welt. Der nach 1989 einsetzende Zusammenbruch der sozialistischen Staatengemeinschaft, die Auflosung des wirtschaftlichen wie militarischen Bundnisses leitete das Ende des Kalten Krieges ein. Die DDR, von der der Generalsekretar der SED, Erich Honecker, noch kurz vor dem Untergang vollmundig erklarte: »Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs’ noch Esel auf«, verschwand binnen kurzer Zeit von der politischen Weltkarte. Im Ausnahmezustand der Eiseskalte hatte sie Gunter de Bruyn bereits Mitte der 80er Jahre in seinem Buch Neue Herrlichkeit (1985) gezeigt. Auch Annett Groschner bezieht sich auf die Kaltemetapher: In ihrem Roman Moskauer Eis (2000) erzahlt sie Geschichten aus der Gefriertruhe, die mit dem Land zu tun haben, das am 3. Oktober 1990 seine Eigenstaatlichkeit aufgab. Wahrend im Herbst 1989 das Staatsgebilde DDR bereits in Agonie lag, erstarrt an Ignoranz, staatlicher Willkur und politburokratischer Selbstgefalligkeit, fassten die Burgerinnen und Burger des Landes Mut, ihrem Unzufriedenheit am ›Regiertwerden‹ offentlich zu artikulieren.
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