Sonografisches Screening der Neugeborenenhüfte am Universitätsklinikum Marburg – eine Langzeitanalyse

2014 
Hintergrund: Seit 1985 werden am Universitatsklinikum Marburg die Huftgelenke der Neugeborenen von Mitarbeitern der Orthopadischen Klinik auf das Vorliegen einer Huftdysplasie untersucht. Diese Studie wurde einerseits mit dem Ziel durchgefuhrt, epidemiologische Daten zur Huftdysplasie im lokalen Raum zu gewinnen. Daruber hinaus sollten aber auch die eigenen Befunderhebungen kritisch analysiert werden, um klinikintern Schwachstellen bei der Durchfuhrung der Untersuchung aufzudecken. Auch wurde die Erfahrung der jeweiligen Mitarbeiter anhand der Anzahl durchgefuhrter Untersuchungen und deren Einfluss auf die Therapieempfehlung analysiert. Material und Methoden: In einer retrospektiven Erhebung wurden die sonografischen Befunddokumentationen von 18 247 Untersuchungen – uber einen Behandlungszeitraum von 1985 bis 2009 – analysiert. Bestimmt wurden folgende Parameter: Besonderheiten bei der Geburt (Beckenendlage, Sectio, Fruhgeburt); orthopadische Besonderheiten (z. B. Klumpfus, Vorhandensein einer Spreizhemmung). Als sonografisches Untersuchungsergebnis wurden die knocherne Formgebung, knochernes Erkerareal und das Knorpeldach nach morphologischen Kriterien bestimmt. Zusatzlich wurden α- und β-Winkel nach Graf sowie der Hufttyp dokumentiert. Vergleiche auf Unterschiede oder Zusammenhange zwischen den bestimmten Variablen wurden mittels adaquater inferenzstatistischer Verfahren durchgefuhrt. Hierbei dienten χ 2 -Werte und Korrelationskoeffizienten als Prufgrosen zur Signifikanzprufung. Ergebnisse: Insgesamt 55 Mitarbeiter der Orthopadischen Klinik fuhrten durchschnittlich 350 Untersuchungen (min. 1; max. 1993) durch. Die Dokumentationssorgfalt hat im Laufe der Jahre deutlich zugenommen. Uberwiegend in den 80er-Jahren wurden die sonografisch ermittelten Winkel z. T. nicht erfasst und die Bilder als „Blickdiagnose“ ausgewertet und dem jeweiligen Typ nach Graf zugeordnet. Auch wurde in der Fruhphase oft auf die Bestimmung des β-Winkels verzichtet. Im zeitlichen Verlauf lasst sich v. a. eine Anderung der Diagnose Hufttyp II a erkennen. In den Jahren 1985–1989 wurden uber 40 % der Huften als „physiologisch unreif“ oder schlechter beschrieben. 1990–1994 sank die Anzahl der II a-Huften auf 16 %, im zuletzt bestimmten Zeitraum 2005–2009 betrug der Anteil 9 %. Die Geburtssituation korrelierte signifikant mit dem Auftreten dysplastischer Gelenke, die uberwiegend bei Sauglingen mit Geburt aus Beckenendlage festgestellt wurden. Mitarbeiter mit einer geringen Anzahl an durchgefuhrten sonografischen Untersuchungen leiteten signifikant haufiger therapeutische Masnahmen ein (p ≤ 0,01). Die Behandlungsstrategie des Hufttyps II a war uber die Jahre hinweg eher uneinheitlich. Schlussfolgerung: Diese Studie dokumentiert die Notwendigkeit einer streng standardierten sonografischen Diagnostik der Sauglingshufte. Hinsichtlich Behandlung sollte ein einheitliches Therapieschema nach jeweiligem Hufttyp vorgegeben sein. Eine strukturierte, standardisierte Ausbildung der arztlichen Ausbilder und Mitarbeiter ist hierfur erforderlich; „bedside teaching“ ist nicht zielfuhrend.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    3
    Citations
    NaN
    KQI
    []