Gravitationsphysik an deutschen Universitäten ohne Zukunft

1998 
Die von Albert Einstein begrundete moderne Gravitationstheorie ist eines der faszinierenden Gebiete der Physik. Nicht wenige Studierende der Physik haben ihr Studium unter anderem deshalb aufgenommen, weil sie mehr uber diese Theorie wissen wollten. Zudem tragt die Gravitationsphysik wesentlich zum Erscheinungsbild und zur Akzeptanz der Physik in der Offentlichkeit bei. Wenn jedoch nichts geschieht, wird in 5 Jahren nur noch an einer einzigen deutschen Universitat Gravitationsphysik hauptamtlich in Forschung und Lehre betrieben. Wahrend die Allgemeine Relativitatstheorie bis in die sechziger Jahre hinein eine Domane der Theoretiker war, hat sie seitdem auch fur Experimentalphysiker grose Bedeutung gewonnen. Ermoglicht durch wesentliche Fortschritte in den experimentellen Methoden wurden viele Grosprojekte der experimentellen Gravitation in Angriff genommen. Von besonderer Bedeutung sind dabei unter anderem Gravitationswellendetektoren, die nicht nur eine wesentliche Vorhersage der Allgemeinen Relativitatstheorie testen, sondern auch ein neues “Fenster” zum Weltall aufstosen, welches sowohl einen Blick zuruck in die fruhesten Phasen des Universums, als auch die Beobachtung neuer astrophysikalischer Phanomene ermoglicht – Beobachtungen, die wiederum viele theoretische Arbeiten nach sich ziehen werden. Weiterhin denke man an die Kosmologie, die Physik Schwarzer Locher, die Raumfahrt und nicht zuletzt das GPS (Global Positioning System), was schon Einzug in unseren Alltag gehalten hat. Dazu kommt die groste Herausforderung, der sich die theoretische Physik heute gegenubersieht, namlich die Vereinheitlichung von Gravitation und Quantentheorie. An all diesen Entwicklungen und Fragestellungen sind Relativisten aus Deutschland (oder entsprechend gebildete Geodaten, Astrophysiker oder Quantenoptiker) wesentlich beteiligt. Demgegenuber last die Situation der Gravitationsforschung in Deutschland schon heute sehr zu wunschen ubrig: Es gibt zur Zeit nur an 5 Universitaten ausgewiesene, mit permanenten Stellen ausgestattete Arbeitsgruppen auf diesem Gebiet. Daruber hinaus zeichnet es sich immer deutlicher ab, das 4 dieser Gruppen in den nachsten 5 Jahren mit der Emeritierung bzw. Pensionierung ihrer Leiter ersatzlos gestrichen werden. Dann gabe es in ganz Deutschland (neben dem MPI fur Gravitationsphysik in Potsdam) nur noch eine einzige Universitat (Jena) mit einer entsprechenden Arbeitsgruppe auf diesem Gebiet. Dabei sind insbesondere die folgende Punkte zu bedenken: 1. Die Allgemeine Relativitatstheorie ubt, insbesondere mit ihren Anwendungen in Astrophysik und Kosmologie, eine grose Anziehungskraft auf Studierende aus und steigert die Attraktivitat einer physikalischen Fakultat betrachtlich. Vorlesungen uber Relativitatstheorie und auch popularwissenschaftliche Vortrage zu diesem Thema gehoren zu den meistbesuchten Veranstaltungen. 2. Die Allgemeine Relativitatstheorie ist fur andere Gebiete der Physik (Astrophysik, Teilchenphysik, Quantenoptik, mathematische Physik, Geodasie) und zudem auch fur andere Wissenschaften (Mathematik, Wissenschaftstheorie, Informatik) von grosem Nutzen und hat viele wichtige Entwicklungen auf diesen Gebieten angeregt. Die Vertreter dieser Fachrichtungen sollten an mehr als einer deutschen Universitat Diskussionspartner finden. 3. Es ware auserst kontraproduktiv und geradezu absurd, in einer Zeit, in der verschiedene unter erheblicher deutscher Beteiligung durchgefuhrte Grosprojekte in der experimentellen Gravitationsphysik ihre ersten und mit Sicherheit aufsehenerregenden Ergebnisse liefern, Forschung und Lehre auf diesem Gebiet an den deutschen Universitaten praktisch einzustellen.
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