COVID-19: Zwischenbilanz nach einem Jahr

2021 
Das Coronavirus SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus-2) beherrscht weiterhin die Schlagzeilen in Deutschland, ja auf der ganzen Welt. In radikaler Weise hat die Pandemie das gesellschaftliche Leben und den medizinischen Alltag verandert. Die akribische Auswertung verfugbarer Daten aus der Versorgungsmedizin und intensive Forschungsaktivitaten ermoglichten innerhalb kurzester Zeit einen erheblichen Erkenntniszugewinn. Dieser hat unmittelbare Auswirkungen auf die tagliche Arbeit in Klinik und Praxis. Die aktuelle Ausgabe des Kompass Pneumologie versucht eine Standortbestimmung und tragt jungste medizinische Erkenntnisse zusammen, die in den letzten Monaten gewonnen wurden. Die hier getroffene Auswahl kann nur einen Bruchteil der klinischen Studien abbilden, die fur die praktische Pneumologie relevant sind. Nur ein Teil der SARS-CoV-2-Infizierten entwickelt Symptome und erkrankt an COVID-19 (Corona Virus Disease 2019). Bei Erstprasentation der Patienten ist eine Abschatzung des Risikos fur einen schweren Verlauf von hoher Bedeutung. Indikatoren, die eine wahrscheinlich erforderliche intensivmedizinische Behandlung, prognostisch relevante Komplikationen oder das Sterberisiko vorauszusagen helfen, sind hier von besonderem Interesse. Die COVID-19-Pneumonie und die Komplikation des schweren akuten Lungenversagens mit dem Bild eines ARDS stellen in der Pandemie die haufigsten und prognostisch relevantesten Herausforderungen fur den Pneumologen dar. Es kann jedoch auch zu anderen Krankheitsmanifestationen kommen, die den pneumologischen Fachbereich unmittelbar betreffen. Die Ubersichtsarbeit von Samhati Mondal et al. beleuchtet die Risikofaktoren und die Pathophysiologie thromboembolischer Erkrankungen mit Fokus auf die COVID-19-Erkrankung. Die jungst gemeinsam veroffentlichten Empfehlungen der amerikanischen und europaischen Pneumologengesellschaften (American Thoracic Society, ATS; European Respiratory Society, ERS) zur Behandlung von COVID-19 fasst Johannes Knoch in seinem Wissenstransfer zusammen. Der Artikel fuhrt eindrucklich vor Augen, wie wichtig die kritische Wurdigung der verfugbaren Evidenz bei der Erstellung von Leitlinien und Empfehlungen ist. So wird in dem Dokument zu den Therapieansatzen mit Dexamethason, Remdesivir, Hydroxychloroquin und Antikoagulanzien dezidiert Stellung genommen. Stefanie Keymel stellt in Ihrem Transfer in die Praxis die Arbeit von Ahmed M. Abdalhadi und Kollegen vor, die eine Kasuistik mit beidseitigen exsudativen lymphozytaren Pleuraergussen bei COVID-19 erlautern. Helmut Frohnhofen zeigt mit der Arbeit von Ting Guo und Mitarbeitern die klinischen Besonderheiten der COVID-19-Erkrankung bei alteren Menschen auf. So kann gerade bei den besonders alten Patienten trotz symptomarmem Erkrankungsbeginn ein komplikationstrachtiger und letztlich vital bedrohlicher Verlauf eintreten. Auch fur dieses Patientenkollektiv wurden erste klinische Risikoindikatoren identifiziert. Die COVID-19-Therapie kann beim geriatrischen Patienten nicht unreflektiert vereinheitlicht werden, sondern sollte vielmehr nach sorgfaltiger individueller Abwagung gesteuert werden. Stefan Kruger schlieslich diskutiert in seinem Wissenstransfer die Studie von Hannah Burke und Kollegen, die darin ein breites Zytokinpanel bei stationar aufgenommenen COVID-19-Patienten untersucht haben. Die Arbeit zeigt, dass Zytokin-Analysen ein weiteres Instrument zur Prognoseabschatzung darstellen konnten. Andererseits zeigt sich die Dynamik des vieldiskutierten «Zytokinsturms» heterogen und komplex, so dass sich noch kein solitarer Zytokin-Biomarker abzeichnet, der Einzug in die klinische Routine halten konnte. In der Rubrik «Erfahrung aus der Praxis» analysieren Massa Zantah und Mitarbeiter in Ihrem Patientenkollektiv retrospektiv die seltene aber klinisch hochrelevante Komplikation eines Pneumothorax bei COVID-19. Besonders bei beatmeten Patienten und radiomorphologisch auffalligen Milchglasveranderungen und Konsolidierungen sollte bei unklarer klinischer Verschlechterung ein Pneumothorax ausgeschlossen werden. Insgesamt zeigt sich auch mit dieser Auswahl an Arbeiten, dass die Pneumologie ein facettenreiches Fach ist und in besonderem Mase bei der Bewaltigung der COVID-19-Pandemie gefordert ist. Im historischen Vergleich zeichnet sich die derzeitige Pandemie dadurch aus, dass reger internationaler Erfahrungsaustausch und intensive Forschung moglich sind und diese Fruchte tragen. Ihr Dr. Lars Hagmeyer
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