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Die Listen der Evidenz

2006 
Was Evidenz fur sich beansprucht, bleibt unhinterfragt, ist beweiskraftig, steht klar vor Augen, leuchtet unmittelbar ein. Evidenz spricht fur sich selbst oder burgt fur anderes. Sprachliche wie bildliche Ordnungen stutzen sich auf interne Evidenzen, die selbst nicht zur Disposition stehen und nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit rucken. Gleichzeitig verweisen diese Ordnungen auf Evidenzen und Beweise, die auserhalb und unabhangig von ihnen gegeben zu sein scheinen. Aber in welchem Verhaltnis stehen das Offenkundige und das Selbstverstandliche, das Grundlegende und das Augenfallige, Autonomie und Verweis zueinander? Wie wird Evidenz hergestellt oder zugesprochen? Sind die Verfahren der Produktion und Legitimation ebenso offensichtlich oder basal wie ihr Resultat? Die List hingegen scheint in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der Evidenz zu sein: Sie wirkt im Verborgenen und auf Umwegen, reagiert spontan und situativ auf das Bestehende, Bestandige und Allgemeingultige. Dennoch bedarf es immer ihrer Mitwirkung und Vermittlung, wenn Evidenzen hergestellt und stabilisiert werden, denn diese sind nicht so festgefugt und zeitlos, wie es den Anschein hat. Ihre Selbstverstandlichkeit wird auch von innen bedroht: Die Liste der Evidenzen birgt Widerspruche. Evidenzen konnen sich nur behaupten, wenn sie sich mit der List verbunden. Mit der Frage nach den komplexen Wechselwirkungen zwischen Listen und Evidenzen wird aber nicht auf eine simple Zuruckweisung jeglicher Evidenz als trugerisches Konstrukt abgezielt. Jeder Versuch, uber die Evidenz hinaus zu gelangen oder zu einem Zustand diesseits der Evidenzen vorzudringen, entzieht sich selbst den Boden. Die groste List der Evidenz besteht darin, unentbehrlich zu sein.
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