Wissens- und Technologietransfer - a road to nowhere?

2000 
Der Ruf nach Innovationen erschallt schon seit vielen Jahren. Die Regierungen in Europa wunschen sich innovativere Wirtschaftsunternehmen, welche das im Uberfluss vorhandene Wissen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen endlich in rentable Produkte und Dienstleistungsangebote umsetzen sollen. Durch mehr Transferangebote und Transferleistungen versuchen diese Regierungen, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Systemen Wissenschaft und Wirtschaft zu erreichen. Ist das aber der richtige Ansatz? In der europaischen Technologie- und Innovationspolitik wird die mangelnde Umsetzung von Forschungs-wissen in innovative Produkte und Dienstleistungen als 'europaisches Paradoxon' bezeichnet. Die hier vorgestellte Dissertation analysiert diese fehlende Umsetzung. Dafur werden sowohl die Wirkungsannahmen uber Wissens- und Technologietransfer kritisch beleuchtet, als auch diese Transferstrukturen anhand von Fallstudien erhoben. Im Zentrum steht dabei das Informations- und Wissenstransfernetzwerk von Entwicklern, worunter die Berufsgruppe der Ingenieure und Techniker zu verstehen ist, die sich in den Unternehmen mit der Ent-wicklung neuer Produkte und Verfahren befassen. Aus den erhobenen Beziehungs-mustern und Transferstrukturen wird deutlich, dass viele gangige Annahmen uber die Entstehung von Innovationen sowie uber Wissens- und Technologietransfer zu verwerfen sind. Die Studie liefert dazu vier wesentliche Aussagen: (1) Der politisch motivierte Wissens- und Technologietransfer beruht auf Annahmen, die in der Form nicht mehr haltbar sind. Die Arbeit weist nach, dass die Wissensstrome nicht nur in die entgegengesetzte Richtung, namlich Wirtschaft-Wissenschaft fliessen, sondern sich auch gegenseitig beeinflussen. Damit wird auch klar, dass Wissens-Empfanger und Wissens-Geber kontextabhangig sind und jeder sowohl der einen als auch der anderen Gruppe zugehort. Erfolgreicher Wissens- und Technologietransfer erweitert also den potentiellen Teilnehmerkreis an Innovationsaktivitaten. Er findet umso leichter statt, je hoher die Zielkongruenz und Durchlassigkeit zwischen den Systemen ausgepragt ist. (2) Fehlender Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist nicht die Ursache fur zu wenig Innovationen und damit von Systemversagen sondern dessen Symptom. Die wahre Ursache liegt in der unterschiedlichen Zielausrichtung und den entsprechenden Anreizstrukturen (nicht nur) dieser Systeme begrundet. Systemversagen kann also nicht allein durch ein Mehr an Interaktionen behoben werden sondern erfordert die grundsatzliche Abstimmung zwischen und innerhalb der Systeme, um so Koharenz und Durchlassigkeit herzustellen. Erst wenn es gelingt, die Anreizstrukturen so auszugestalten, dass sie diesen Austausch nicht nur fordern, sondern vor allem 'belohnen' und somit in Wert setzen, werden auch die grossten Barrieren des europaischen Paradoxons uberwunden. (3) Innovationssysteme erfordern einen flexiblen Umgang mit Strukturen. Im zeitlichen Verlauf und je nach Zielsetzung konnen die Strukturen, also Netzwerke, Clusterstrukturen und innovative Milieus unterschiedliche Auspragungen annehmen, altern oder verkrusten oder sich wieder auflosen. Im Umgang damit ist es notwendig, die Zielorientierung der unterschiedlichen Beziehungsstrukturen in den Vordergrund zu rucken. Die Studie empfiehlt, die oftmals idealistisch gepragten Beziehungsstrukturen mit den Komponenten Zweck und Ziel zu erganzen. Daraus resultiert die Einsicht, dass eine parallel existierende Strukturvielfalt der vorhandenen Problemvielfalt viel eher gerecht wird. (4) Innovationssysteme konnen nur funktionieren, wenn sie vital sind und auf dem Prinzip der Selbstorganisation beruhen. Ein grosses Missverstandnis im Umgang mit diesem Organisationsprinzip liegt darin, dass Selbstorganisation nicht eingefordert werden kann, sondern erlernt werden muss. Genauso wichtig ist die Einbindung selbstorganisierter Prozesse in koharente Gesamtziele bei gleichzeitiger horizontaler Koordination, damit diese Prozesse nicht in unterschiedliche Richtungen laufen. Fur die Umsetzung der vier Hauptaussagen dieser Arbeit werden Entwicklungsmoglichkeiten aufgezeigt, die vor allem denjenigen Fachkreisen zu empfehlen ist, die den Auf- oder Ausbau von Innovationssystemen im Rahmen von innovationsorientierter Regionalpolitik ausgestalten wollen. Innovationssysteme fordern die regionale Entwicklung, weil sie endogene Potentiale mit exogenem Input kombinieren und damit Entwicklungen im Spannungsfeld zwischen Regionalisierung und Globalisierung ermoglichen.
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