Geschlechtsunterschiede in der Inhibition bei Patientinnen und Patienten mit einer Alkoholkonsumstörung

2018 
Hintergrund • Aktuelle neurowissenschaftliche Theorien postulieren Inhibitionsdefizite als bedeutenden Faktor in der Entstehung & Aufrechterhaltung einer Alkoholkonsumstorung (AKS) [z.B. 1]. • Praklinische behaviorale Studien weisen darauf hin, dass Defizite in der kontext-unspezifischen Inhibition bei Frauen starker ausgepragt sind [2]. • Neurophysiologische Befunde zeigen Auffalligkeiten in der N2- und P3- Komponente (EEG) bei Patient_innen mit einer AKS [3, 4]. • Nur eine praklinische EEG-Studie untersuchte bisher geschlechtsspezifische Effekte, wobei keine Unterschiede in den evozierten Potentialen (EP) beobachtet wurden [5]. • Neurowissenschaftliche Studien zu Geschlechtsunterschieden in (alkohol-spezifischer) Inhibition bei Personen mit einer AKS fehlen. Methoden Insgesamt wurden 31 abstinente Patient_innen mit einer AKS, teilnehmend an einer mehrwochigen stationaren Entwohnung, untersucht. Bei allen wurde wahrend einem Go-NoGo-Task (mit 75/25-Ratio) ein 64-Kanal-EEG abgeleitet. Dieser Task misst sowohl alkohol-spezifische als auch neutrale Inhibition. Es wurden 4 EPs pro Versuchsperson berechnet: NoGoAlc, NoGoNeu, GoAlc und GoNeu. Die weiteren Analysen wurden mit Ragu durchgefuhrt. Nach der Identifikation von Ausreissern (n=1) wurden die Zeitfenster der N2- und P3- Komponenten mittels Microstate-Analysen definiert: N2a (150-220ms), N2b (220-330ms) und P3 (330-550ms). Die einzelnen Microstates wurden auf Unterschiede in Topographie und Starke (GFP, global field power) des Signals untersucht: Zuerst wurde eine 2x2x2 TANOVA (not normalized) mit den Faktoren Gender (mannlich, weiblich), Antworttyp (Go, NoGo) und Stimulustyp (alcohol, neutral) berechnet, um allfallige Interaktionen zu eruieren. Weiter wurden GFP-Analysen fur dieselben Interaktionen durchgefuhrt. Resultate Frauen und Manner wiesen keine Unterschiede hinsichtlich Alter, Bildungsjahre und Schweregrad der AKS (Anzahl DSM-5-Kriterien / Anzahl Standarddrinks (SD) wahrend der letzten 90 Tage vor dem Entzug) auf. Die TANOVA mit den Faktoren Gender, Antwort- und Stimulustyp in den Zeitfenstern N2a, N2b und P3 zeigte: • keine signifikante Interaktionen in N2a und N2b. • eine signifikante Gender x Stimulustyp-Interaktion in der P3 (p=0.01): Frauen weisen im Vergleich zu Mannern eine ausgepragtere frontoparietale Positivitat auf, daruber hinaus unterscheidet sich bei Frauen die Topographie der P3 zwischen den Stimulustypen (p=0.02; siehe Abb. 2). Bei Mannern zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen alkoholischen und neutralen Stimuli (p=0.44). Die GFP-Analysen mit identischen Faktoren & Zeitfenstern zeigten: • keine signifikanten Interaktionen in der N2a und P3. • einen Trend einer signifikanten 3-fachen Interaktion (p=0.06) in der N2b: Frauen zeigen allgemein eine hohere NoGo-GFP als Manner. Genauer weisen Frauen eine hohere GFP in den neutralen als in den alkoholbezogenen NoGos auf, wahrend sich bei Mannern kein solcher Unterschied zeigt (siehe Abb. 3). Diskussion Erstmals wurden neurophysiologische Geschlechtseffekte von kontextspezifischer) Inhibition bei Patient_innen mit einer AKS untersucht. Vorlaufige GFP-Analysen weisen auf einen Trend fur die 3-fache Interaktion (Gender, Antwort- und Stimulustyp) in der spaten N2 hin: Frauen haben eine hohere N2b bei NoGos, wobei dies bei neutralen NoGos starker ausgepragt ist. Die N2 steht fur die Uberwachung des Antwortkonflikts [6], entsprechend konnten Frauen zu einem hoheren Konflikt in der Inhibition neutraler Stimuli tendieren. Ubereinstimmend mit behavioralen Ergebnissen [2, 5] konnte die Inhibition also fur Frauen mit AKS schwieriger sein als fur Manner. Im Zeitfenster der P3 variierte das EP der Frauen zwischen alkoholspezifischen und neutralen Stimuli, wahrend sich bei Mannern kein entsprechender Unterschied fand. Weitere Analysen sind notig, um die zugrundeliegenden Prozesse der Inhibition zu elaborieren. Fur ein besseres Verstandnis ist der Vergleich der (gesamten) Patientenstichprobe mit den Daten der gesunden Kontrollgruppe, der Einbezug eines weiteren Inhibition-Tasks (SST) und die Analyse der Errors of commissions (EOC) indiziert.
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