Sprachmeister. Sozial- und Kulturgeschichte eines prekären Berufsstands

2015 
Vor der Institutionalisierung des fremdsprachlichen Unterrichts an offentlichen Schulen im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert waren die Rechtsstellung und die materiellen Lebensumstande von Fremdsprachenlehrern oft prekar. Obwohl in den hoheren gesellschaftlichen Standen – im Adel, dem Patriziat, der Kaufmannschaft, dem Offiziersstand und der hoheren Beamtenschaft – eine starke Nachfrage nach Kenntnissen lebender Fremdsprachen bestand, fehlten der Vermittlung dieser Kenntnisse zentrale Merkmale eines ehrbaren Gewerbes. Es gab keine geregelte Ausbildung, keine verbindlichen Eintrittsqualifikationen in den Berufsstand und nur vereinzelte korporative Zusammenschlusse. Entsprechend vielfaltig war die Gruppe der Lehrenden: Sie umfasste Glaubensfluchtlinge, abgedankte Soldaten, ehemalige Kleriker, verarmte Adelige, arbeitslose Mediziner und Juristen sowie Handwerker, die sich auf der Wanderschaft Sprachkenntnisse angeeignet hatten. Viele Sprachmeisterkarrieren sind durch hohe geographische Mobilitat und biographische Bruche – Glaubenswechsel, Flucht und Vertreibung, berufliche Sackgassen, Delinquenz, Verschuldung, gescheiterte Ehen – gepragt; nur einer Minderheit gelang die dauerhafte Integration in den stadtischen Burgerverband. Auf der anderen Seite boten Furstenhofe und Universitaten Sprachmeistern neue Karrierechancen. Zumindest einigen dieser im hofischen und akademischen Milieu tatigen Fremdsprachenlehrer sowie einzelnen besonders beliebten und angesehenen Sprachmeistern in grosen Stadten gelang es, den prekaren Lebensumstanden zu entkommen, in welchen die meisten ihrer Kollegen und Kolleginnen stecken blieben. Der vorliegende Sammelband untersucht die Sozial- und Kulturgeschichte dieses heterogenen Berufsstandes in mehreren europaischen Landern (Frankreich, Deutschland, Polen, Ungarn, Lettland) und geht auch auf die Lehrtatigkeit von Frauen und Angehorigen religioser Minderheiten in der Fruhen Neuzeit ein.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    1
    Citations
    NaN
    KQI
    []