Bildungspolitik als Gesellschaftspolitik

2013 
Als im Jahre 1784 der Rektor Philipp ]ulius Lieberkuhn seine Schuler zur Universitat entlies, nahm er die Gelegenheit wahr, vor seinen Schulern und der versammelten Schuloffentlichkeit den zeitgemasen Auftrag von Schule und Bildung darzulegen. Diese Rede zeigt exemplarisch den Stand der padagogischen Reflexion im 18. Jahrhundert. Wird hier doch die Bildung von ihrem anthropologischen Ansatz her zugleich als ein politischer und sozialer Prozes verstanden. Nur so war es dieser Zeit moglich, die Schule als »Werkstatte des gemeinsamen Wesens« zu bestimmen. Von der Bildungsarbeit der Schule heist es bei Lieberkuhn: »Das man darin nicht blos, noch weniger einseitig, unterrichte, sondern so weit es in einer offentlichen Anstalt moglich und zweckmasig ist, erziehe! Dahin gehort vornehmlich: das man den ganzen Menschen bearbeite, und alle seine Vermogen harmonisch entwickele ... , das man den eigentlichen Charakter der Jugend durch Grundsatze sowohl als durch Gewohnungen anlege und bilde, d. h. dauerhafte Neigungen zur Arbeitsamkeit, zur Ordnungsliebe, zur geselligen Hulfe und Werthschatzung, zur Gemeinnutzigkeit und Selbstverlaugnung, zur Rechtschaffenheit und Gottesfurcht befordre, ... ; das man insonderheit die jungen Menschen mit ihren Talenten in Hinsicht auf das hohere Wohl der Gesellschaft bestimme, uberhaupt aber einen jeden ohne Unterschied des Standes, ohne Partheilichkeit und Vorliebe, seinen Bedurfnissen und Umstanden gemas, behandle« (Philipp ]ulius Lieberkuhn, uber die nothwendige Verbindung der offentlichen und hauslichen Erziehung. Zullichau 1784, S. 17-18). Wenn auch nicht bestritten sein soll, das diese Gedanken in der sozialen Wirklichkeit der Zeit nicht ihre volle Entsprechung fanden, so bleibt doch der grundsatzliche Ansatz dieser Aussage gultig. Die Geschichte des padagogischen Bewustseins im 18. Jahrhundert ist in ausgepragter Weise Sozialgeschichte. Die vielfaltigen Anregungen und Impulse, die in diesem Jahrhundert gegeben worden sind und die angesichts der gesellschaftlichen Bedingungen der Zeit nur teilweise verwirklicht werden konnten, sind im 19. Jahrhundert nicht weitergefuhrt worden. Sie stellen sich aber in
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