Hirnatrophie durch Steal-Phänomen bei einem Säugling nach Herz-Operation

2012 
christoph.heher@medunigraz.at Einleitung: Als Steal-Phanomen bezeichnet man den Entzug von Blut aus einer Arterie aufgrund einer Flussumkehr mit daraus resultierender Minderversorgung der anliegenden Strukturen. Wir prasentieren die sonographische Dokumentation einer Hirnatrophie bei einem Saugling, welche nach komplexen Herzoperationen bei einem unterbrochenen Aortenbogen durch ein Steal-Phanomen irreversibel verursacht wurde. Kasuistik: Es handelte sich um das erste Kind der zweiten Schwangerschaft einer 28-jahrigen internistisch gesunden Mutter. Die Schwangerschaft verlief unauffallig. Nach 38 Schwangerschaftswochen erfolgte die Geburt durch Forceps aufgrund Geburtsstillstands in der Geburtshilflichen Abteilung eines peripheren Krankenhauses. Postpartal war bei schlaffem, zyanotischem Kind eine kurze Sauglings-Reanimation notig, schlieslich stabilisierte sich das Neugeborene mit guten Sauerstoffsattigungswerten um 94% bei 30% Sauerstoffbedarf. Dieser war, bei unauffalligem somatischem Status des Kindes nicht zu reduzieren, aus diesem Grund erfolgte die Transferierung an ein Zentrum. Das Kind prasentierte sich mit niedrigen MAD-Werten, einer vergroserten Blutdruckamplitude, einer verbreiterten Herzsilhouette im Thoraxrontgen und mit Zeichen der pulmonalen Hyperperfusion. In einer echokardiographischen Untersuchung wurden ein Ventrikelseptumdefekt, ein atrialer Septumdefekt, sowie ein unterbrochener Aortenbogen dargestellt. Die periphere Versorgung erfolgte uber den offenen Ductus arteriosus Botalli. Sonographisch waren verminderte Flussgeschwindigkeiten und pathologische Flusskurven in allen von der distalen Aorta abgehenden Blutgefasen nachweisbar. In der Schadelsonografie waren Hirnparenchym, intra- und extracerebrale Liquorraume normal, die Flussgeschwindigkeit in der Arteria carotis sinistra war im Vergleich zur Gegenseite vermindert, transtemporal zeigte sich im Farbdoppler der rechte Anteil des Circulus arteriosus Wilisii besser darstellbar als der linke. Am dritten Lebenstag erfolgte eine modifizierte Operation nach Norwood I mit Damus-Kaye-Stansel Anastomose: Korrektur des unterbrochenen Aortenbogens und Atrioseptektomie. Danach wurde ein 5mm Goretex Sano Shunt vom rechten Ventrikel auf die Pulmonalarterie angelegt. Aufgrund einer Restenose mit folgendem abdominellen Organversagen erfolgte eine Second look Operation mit Augmentation des Aortenbogens mit einem Bio-Pericardpatch. In der postoperativen Schadelsonografie zeigten sich morphologisch weiter unauffallige Verhaltnisse. In der Doppleruntersuchung der A. carotis interna dextra war jedoch ein pathologisches Flussprofil, links gar kein Blutfluss darstellbar. Acht Wochen nach der Korrekturoperation war erstmals auch an der A. carotis interna sinistra eine Flusskurve, mit einer im Vergleich zur rechten Seite langsameren Flussgeschwindigkeit, nachweisbar. Am darauffolgenden Tag prasentierte sich die Patientin in cardiogenem Schockzustand. In der Echokardiografie zeigte sich eine deutliche Verschlechterung der linksventrikularen Funktion bei akuter Zunahme des Gradienten uber der Stenose des Aortenbogens. In den von der Aorta abdominalis abgehenden Gefasen war eine pathologische Perfusion nachweisbar. In der Schadelsonografie war im Bereich der Arteria carotis interna sinistra wieder nur ein minimaler Fluss darzustellen. Aufgrund der Re-Stenose im Bereich des Aortenbogens wurde ein extraanatomischer Bypass mit einer 5mm Goretex-Prothese von der Arteria carotis communis sinistra zur Aorta thoracica angelegt. Diese Korrektur brachte eine Erholung der Nieren- und Darmfunktion. In einer postoperativen Sonografie zeigte sich ein annahernd normales Perfusionsbild. Nach einer Woche konnte der Saugling extubiert werden, er benotigte allerdings weiter nicht-invasive Atemunterstutzung, komplizierend war eine Zwerchfellparese auf der linken Seite. Nach weiteren zwei Wochen kam es neuerlich zu einer kardiorespiratorischen Dekompensation, Beatmungspflichtigkeit und Katecholaminbedarf. In der durchgefuhrten Kontrollsonografie vier Wochen nach Anlage des extraanatomischen Bypass waren weite extracerebrale Liquorraume sowie eine ausgepragte Atrophie der Hirnwindungen nachweisbar. In der Perfusion bestand in der Arteria carotis interna dextra ein pathologisches Flussprofil mit verminderter Flussgeschwindigkeit, auf der linken Seite fand sich ein antegrader und gleichzeitig auch retrograder Fluss. Eine Woche spater wurde der Aortenbogen mit einem Biopericardpatch rekonstruiert, ASD und VSD im Sinne einer Rastelli-Umleitung verschlossen. Postoperativ besserte sich die respiratorische und hamodynamische Problematik. Sonographisch wurde eine fortschreitende Atrophie des Gehirns mit erweiterten inneren und auseren Liquorraumen, verfeinerter Gyrierung und unverandertem Kopfumfang dokumentiert. 17 Tage nach Operation war eine Extubation der Patientin moglich, ein Monat spater die Verlegung auf Normalstation. Obwohl Flussprofil und -geschwindigkeit sich annahernd normalisierten, nahm die Weite des Subarachnoidalraumes zu, es konnte nur mehr ein schmaler Hirnmantel von zuletzt 1,2cm Durchmesser mit einem breiten Subdural- und Subarachnoidaldraum dargestellt werden. Neurologisch auffallig waren ein globaler Entwicklungsruckstand, einem einen Monat alten Kind entsprechend, eine generelle Muskelhypotonie sowie eine Bewegungsarmut in den Beinen, im EEG waren diffuse schwere Allgemeinveranderungen nachweisbar. Die grose Fontanelle war mit sechs Monaten bereits fast vollstandig verknochert. Schlussfolgerung/Summary: In unserem Zentrum ist dies nach Herz-Operation die erste diagnostizierte Hirnatrophie. Wir fuhren diese auf das Auftreten eines Steal-Phanomens nach Anlage des extraanatomischen Shunts zwischen A. carotis communis sinistra und Aorta descendens zuruck. Wir konnten keine ahnlichen sonographisch dokumentierten postoperativen Verlaufe nach Herzoperationen finden. Eine Ausdunnung des cerebralen Cortex im Zusammenhang mit einer Steal-Physiologie ist zwar bekannt, in der Literatur ist aber keine so massive Auspragung beschrieben.
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