Einleitung: Rituale in den Medien – Medienrituale

2008 
In westlichen Mediengesellschaften lasst sich eine paradoxe Gleichzeitigkeit von kultureller Differenzierung und Entdifferenzierung beobachten. Auf der einen Seite findet eine fortlaufende, durch die Massenmedien vorangetriebene Differenzierung sozialer Milieus und Kulturen statt. Die zunehmende Medienspezialisierung ermoglicht die Bildung von Teiloffentlichkeiten, deren Kodes und Werte nur von einer begrenzten sozialen Gemeinschaft geteilt werden. Trotz dieser Pluralisierung von Lebensstilen und Teilkulturen beobachten die Sozialund Geisteswissenschaften andererseits schon lange eine Tendenz kultureller Entdifferenzierung: Denn die Gleichzeitigkeit verschiedener Kulturen, Milieus und Szenen produziert kulturelle Legitimationsund Deutungskonflikte sowie das Bedurfnis nach kulturubergreifenden Leitwerten. Medien sind der Ort, an dem solche Konflikte am wirkungsmachtigsten ausgetragen und entschieden werden. Indem sie selektiv auswahlen, welche Ereignisse und welche Akteure auf welche Art und Weise kollektiv wahrgenommen werden, produzieren sie Weltentwurfe und Deutungsmodelle, die kulturubergreifend rezipiert und angeeignet werden – und damit der Differenzierung kultureller Kodes und Werte entgegenwirken. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, nach dem Stellenwert, den Erscheinungsweisen und Funktionen moderner Rituale in westlichen Mediengesellschaften zu fragen. Rituale entstanden ursprunglich in archaischen, monokulturellen Gesellschaften, in denen die Macht einzelner Sinndeutungsinstanzen wie Kirche und Konig regelmasig in gemeinschaftlich ausgefuhrten Zeremonien bestatigt und verkorpert wurde. Die Ritualforschung – seit den 1970er Jahren als weit gefacherter interund transdisziplinarer Bereich ausgebildet – hat schon lange erkannt, dass moderne, spatkapitalistische und pluralistische Gesellschaften ebenfalls Rituale ausbilden, die wichtige Funktionen der Vergemeinschaftung erfullen (vgl. Brunotte 2003; Platvoet 2006). Hier werden Rituale als performative Handlungsmuster beschrieben, in denen die symbolische Ordnung (Leitwerte,
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