Aphasie: eine neuronale Netzwerkerkrankung

2017 
Sprache bedarf der koordinierten Interaktion lokaler und entfernter Neuronenpopulationen in einem ausgedehnten Netzwerk temporaler, frontaler und parietaler Hirnregionen. Eine Sprachstorung (Aphasie) nach einem Schlaganfall ist demzufolge die Konsequenz einer lokalen Funktionsstorung am Schadigungsort als auch einer Funktionsstorung in den mit der Lasion assoziierten sprachspezifischen und domanenubergreifenden Netzwerken. Der Spracherholung wiederum liegt eine Netzwerkreorganisation zugrunde, die aus dem Zusammenwirken der Auflosung der akuten Netzwerkstorung (Diaschisis), der subakuten Aktivierung rechtshemispharischer sprachhomologer Hirnregionen sowie der allmahlichen linkshemispharischen Restitution lasionsferner und perilasionaler Areale resultiert. Die Methode der unifokalen nichtinvasiven Hirnstimulation uber diesen Regionen eroffnet durch eine Modulation neuronaler Plastizitat die Moglichkeit einer Verstarkung der zugrunde liegenden Reorganisationsprozesse und kann die Spracherholung begunstigen. Hauptursachlich fur die bisher geringen additiven Effekte durfte sein, dass optimale Stimulationsorte und -protokolle sowie der gunstigste Zeitpunkt einer effektiven Netzwerkmodulation noch nicht gefunden sind. Daruber hinaus limitiert der individuell unterschiedliche Beitrag links- und rechtshemispharischer Regionen zur Spracherholung bei heterogenen Lasionstopologien die Identifizierung eines einheitlichen Stimulationsansatzes. Die Annahme, dass eine Funktionsstorung nicht allein durch den lokalen Effekt der Lasion, sondern durch eine weitreichende Storung in dem mit der geschadigten Region assoziierten Netzwerk erklarbar ist, konnte zukunftig die Grundlage fur eine individualisierte, moglicherweise auch multifokale therapeutische Netzwerkmodulation bieten.
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