Freistellung als Weichenstellung BUnde Flecken in der Diskussion urn den ,Erziehungsurlauh'

1998 
Drei Jahre ,Erziehungsurlaub': ein gleichstellungspolitisch motivierter und insgesamt gelungener Beitrag zur Forderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fiir Frau­ en und Manner sagen die einen; ein nur schlecht getarntes, dafiir urn so wirksameres arbeitsmarktpolitisches Mittel zur bedarfsorientierten Aus- und Wiedereingliederung der weiblichen Reservearmee sagen die anderen. Wer mit der Einfiihrung des ,Er­ ziehungsurlaubs' vor mehr als zehn Jahren was bezweckte, ob der Gesetzesentwurf im Interesse berufstatiger Frauen liegen sollte oder tatsachlich von vornherein dar­ auf abzielte, Miitter in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit an den Herd zUrUckzulocken, wird sich als gesellschaftspolitische Frage nicht ohne wei teres mit der Eindeutigkeit einer mathematischen Formel beantworten lassen. GleichwohllaBt sich der Wert des ,Er­ ziehungsurlaubs', wie er 1992 gesetzlich verankert worden ist, ziemlich prazise mes­ sen, und zwar an der Wirkung, die er seither auf die Entwicklung des bundesrepu­ blikanischen Geschlechterverhaltnisses im allgemeinen und auf die wirtschafts- und sozialpolitische Praxis im besonderen gehabt hat. Ganz gleich aus welcher Quelle man sein Datenmaterial bezieht, die Zahlenwer­ te sind weitgehend identisch und iiberdies konstant: Etwa 95% aller Anspruchsberech­ tigten in den alten wie auch in den neuen Landern nehmen ,Erziehungsurlaub' , 98 bis 99% davon sind Frauen.' Das bedeutet, der ,Erziehungsurlaub' , der theoretisch auch von Vatero oder wechselweise von beiden Elternteilen genommen werden konnte, ist faktisch "Miitterurlaub"2 - weswegen er in der Offentlichen Diskussion zumeist auch nur als Frauenproblem wahrgenommen und nicht als Geschlechterthema von gesamt­ gesellschaftlicher Relevanz verhandelt wird.' DaB sich die Mehrheit der Paare bei der Geburt eines Kindes trotz der formalen Wahlmoglichkeit so und nicht anders, d.h. im Idealfall fiir die bruchlose VollDie neuesten Zahlen, die auf einer repriisentativen Erhebung des Instituts ftir Arbeitsmarkt- und Bernfs­ forschung der Bundesanstalt ftir Arbeit in Niirnberg basieren, legt Gerhard Engelbrech in diesem Band vor. 2 Vgl. Notz, Gisela: "Du bist als Frau urn einiges mehr gebunden als der Mann." Die Auswirkungen der Geburt des ersten Kindes auf die Lebens- und Arbeitsplanung von Mtittern und Vatern. Bonn 1991, S.168. 3 Sehr treffend erscheint mir in diesem Zusammenhang die Formulierung von Claudia Born, die eine Abhandlung zum Thema "Vereinbarkeit von Bernf und Familie" mit dem Satz: "Ein Problem von Frau­ en, kein Frauenproblem" untertitelt und damit das Postulat einer mehr als additiven Geschlechter­ forschung in einem Satz auf den Punkt bringt. V gl. den gleichnamigen Beitrag der Werkstattberichte des Forschungsschwerpunkts ,Arbeit und Bildung' an der Universit1it Bremen, Bd. 4. Bremen 1990.
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