Berlin, 6. und 7. Januar 2005: Trivial - Kunst - Musik

2005 
Im Rahmen des DFG -Sonderforschungsbereichs „Asthetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Kunste" leitete Albrecht Riethmuller einen zweitagigen Workshop am Musikwissenschaftlichen Seminar der Freien Universitat Berlin. Dabei wurde der Frage nachgegangen, inwieweit Musik, abhangig von ihrem gesellschaftlichen Kontext, dem Urteil der Trivialitat und dem Prozess der Trivialisierung unterliegt und welche Konsequenzen dies fur Musikhistoriographie und Rezeptionsgeschichte hat. Eckart Klesmann (Klein-Bengerstorf) verdeutlichte am Beispiel von Georg Philipp Telemann, wie Musikkritiker des 19. Jahrhunderts seinen zu Lebzeiten popularen Kompositionen Tiefsinnigkeit absprachen, nicht zuletzt aus nationalistischen Grunden, und die Geringschatzung im Vergleich zu seinem Zeitgenossen (und Freund) Bach in das 20. Jahrhundert kolportierten. Anhand des Romans Kreutzersonate von Margriet de Moor thematisierte Ulrich Tadday (Bremen) die Trivialisierung der Musik in der Literatur, die der Makel der Romane uber Musik sei. Neben dem Beharren auf einer af f ektiven Wirkung der Musik werde hier eine falsch verstandene Interpretation von Leos Janaceks 1. Streichquartett vermittelt. Kevin Clarke (Amsterdam) argumentierte in seinem Beitrag, dass das Wesen der Operette im Stile von Emmerich Kaiman oder Steven Sondheim im Konglomerat von Hochund Trivialkultur bestehe. Der intellektuelle Anspruch der Operette manifestiere sich in ihrer Rezeption auf der Ebene der Parodie einer vorgetauschten Tiefe und der Ironie einer ubersteigert dargestellten Realitat. Anhand von Filmbeispielen aus den Jahren 1927 bis 1958 veranschaulichte Albrecht Riethmuller (Berlin), wie ein bestimmter Komponist oder eine bestimmte Musik im Kontext des Films als Trivialitat oder als Hochkultur stigmatisiert wird und wie durch das vermeintliche Wissen uber diese Unterscheidung soziale Konflikte ausgelost werden. In Carl Froelichs Nazi-Film Heimat werde zum Beispiel beim Versuch der Festschreibung einer kulturellen Identitat durch Bachs Musik als Inbegriff der deutschen Kunstmusik der Komponist letzten Endes trivialisiert. Zum Thema Gustav Mahler stellte Julie Hubbert (Columbia, South Carolina) die These auf, dass er eine Unterscheidung zwischen „trivial" und „sinfonisch" ignoriert habe, indem er stadtische Musik in seine Sinfonien inkorporiert und somit diese aufgewertet habe. Timothy Freeze (Ann Arbor, Michigan) exemplifizierte an Mahlers Lied Aus! Aus! die vielschichtigen Allusionen des Operettenstils. Schlieslich argumentierte Federico Celestini (Graz), dass der Trivialitatsvorwurf an die Musik Mahlers der mit dem hohen sinfonischen Stil gebrochen und die Unterscheidung von hoher und niederer Kunst in Frage gestellt habe paradigmatischen Kritikmustern zur Ausgrenzung von Andersheit folge und eine Abwehrhaltung gegen Modernitat sei.
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