Synthese und Testung neuartiger peptidomimetischer, selektiver Inhibitoren parasitärer Cystein-Proteasen

2013 
Parasitare Protozoen wie Leishmanien, Trypanosomen und Plasmodien weisen eine Vielzahl von Cystein-Proteasen der Papainfalimilie (CAC1) auf, welche als Pathogenitats- und Virulenzfaktoren identifiziert werden konnten. Die aktuell eingesetzten Medikamente zur Behandlung der von diesen Parasiten hervorgerufenen Infektionskrankheiten (Leishmaniose, Afrikanische Schlafkrankheit, Chagas-Krankheit, Malaria) sind aufgrund von Nebenwirkungen, hohen Kosten und sich entwickelnden Resistenzen suboptimal. Die parasitaren Cystein-Proteasen stellen daher potentielle Targets zur Entwicklung neuer Therapieansatze dar. Das angestrebte Ergebnis der Entwicklung ist es, selektive Inhibitoren der parasitaren Proteasen zu entwickeln, wahrend die Wirt-Proteasen unbeeinflusst bleiben. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Optimierung der literaturbekannten Aziridin-2,3-dicarboxylat-basierten Inhibitoren RV122C (Boc-(S)-Leu-(R)-Pro-(S,S)-Azi(OBn)2) und RV212C (Boc-(R)-Leu-(S)-Pro-(S,S)-Azi(OBn)2) sowie des Michael-Akzeptor-basierten Inhibitors 16a (Boc-(S)-Phg-(S)-vGln(Trt)-OEt) hinsichtlich ihrer selektiven inhibitorischen Aktivitat an parasitaren Cystein-Proteasen. Bei allen synthetisierten Verbindungen handelt es sich um potenziell irreversible, kovalente und kompetitive Inhibitoren. Der Aziridinring und das Michael-System stellen elektrophile Bausteine dar, die von dem nucleophilen Thiolatrest des aktiven Zentrums einer Cystein-Protease angegriffen werden und in der irreversiblen Alkylierung des aktiven Zentrums resultieren. Die Testung der synthetisierten Verbindungen erfolgte mittels fluorimetrischer und photometrischer Enzymassays. Zur Evaluierung der biologischen Aktivitaten wurden ggf. weitere biologische Testungen durchgefuhrt. Die Leitstrukturen RV122C und RV212C der Aziridinylpeptide wurden als Inhibitoren von Proteasen der Cathepsin-L-Subfamilie identifiziert. Eine zweite Serie von Stereo- und Konstitutionsisomeren von RV122C und RV212C brachte ein Derivat hervor, CS09 (Boc-(S)-Leu-(R)-Pro-(R,R)-Azi(OBn)2), welches selektive Inhibition von parasitaren Cystein-Proteasen aufwies, ohne humanes Cathepsin L zu hemmen. Neben leishmanizider Aktivitat weisen sowohl RV122C und RV212C als auch CS09 keine Toxizitat an den eingesetzten Zelllinien auf. Daher erfolgte die Fokussierung auf Untersuchungen in Leishmania major zur detaillierten Aufklarung zellularer Effekte in vitro und in vivo. Der ausgeloste Zelltot wurde als Apoptose-ahnlich charakterisiert, welcher durch unvollstandige Verdaunung in Lysosom-ahnlichen Vakuolen hervorgerufen wurde. In-vivo-Untersuchungen im Mausmodell zeigten, dass es das Ziel sein muss, Inhibitoren mit Selektivitat insbesondere fur die Cathepsin-B-ahnliche LmajcatB zu entwickeln. Ausgehend von CS09 als neue Leitstuktur wurden verschiedene Variationen zur Strukturoptimierung vorgenommen, um im Anschluss Struktur-Wirkungs-Beziehungen ableiten zu konnen. Die Synthese erfolgte mittels Fragmentkupplung der zuvor stereoselektiv dargestellten Aziridin-Bausteine und der durch Standard-Peptidkupplungsreagenzien erhaltenen Aminosaure/Peptidbausteine. Die N-Acylierung wurde mittels des Kupplungsreagenzes PPA optimiert. Schlieslich wurden die Verbindungen an den Cystein-Proteasen Cathepsin L, Cathepsin B, Cathepsin K, Cathepsin S, LmCPB2.8, LmajcatB, Rhodesain, Cruzain und Falcipain-2 auf ihre inhibitorische Aktivitat getestet. Weiterhin wurden die Verbindungen im Rahmen der interdisziplinaren Zusammenarbeit innerhalb des Sonderforschungsbereichs 630 auf ihre antiparasitare Aktivitat an Leishmanien, Trypanosomen und Plasmodien sowie auf ihre Cytotoxizitat an der Makrophagenzelllinie J774.1 getestet. Vertreter dieser Serie erwiesen sich, ebenso wie CS09, als selektive Inhibitoren parasitarer, Cathepsin-L-ahnlicher Proteasen (LmCPB2.8, Rhodesain, Cruzain) und der Cathepsin-B-ahnlichen Protease (LmajcatB). Sehr gute Hemmung der Cathepsin-L-ahnlichen Protease LmCPB2.8 riefen Stereo- und Konstitutionsisomere von CS09 hervor, als auch Derivate, bei denen der Leucinrest gegen andere lipophile Reste mit ahnlichem oder groserem sterischen Anspruch substituiert ist. Die beste Inhibition des Cathepsin-B-ahnlichen Enzyms erfolgte durch Konstitutionsisomere von CS09 und durch Aziridinylpeptide, deren Prolinrest gegen einen Ornithin- oder einen Argininrest ersetzt wurde. Besonders hervor sticht CS25 (Boc-(S)-Ile-(R)-Pro-(R,R)-Azi(OBn)2), sich auszeichnend durch selektive Inhibition der LmajcatB (neben Cathepsin S) bei sehr guter leishmanizider Aktivitat. Auch zeigen einige Vertreter selektive Hemmung von Rhodesain und/oder Cruzain. Mithilfe eines synthetisierten Aziridinylpeptids, welches bromierte Benzylesterreste tragt und sehr gute Hemmeigenschaften an parasitaren Cystein-Proteasen aufweist (CS38), sollte die Kristallisation mit Rhodesain erfolgen, um die erste Rontgenstruktur eines Enzym-Aziridin-Inhibitor-Komplexes zu erhalten. Dieses Ziel konnte jedoch nicht realisiert werden. Aufgrund fehlender Rontgenstrukturen von Enzym-Inhibitor-Komplexen ist die Bindung der synthetisierten Inhibitoren noch immer spekulativ. Dockingstudien an Cruzain schlagen verschiedene Bindemodi vor, bei denen zwei von drei lipophilen Resten die hydrophoben S2- und S1´-Bindungstaschen adressieren. Die Mehrzahl der Aziridin-basierten Verbindungen konnte als leishmanizide und/oder trypanozide Verbindungen identifiziert werden. Mithilfe eines Biotin-markierten Derivats von RV122C (CS39) konnte durch active-site labeling nachgewiesen werden, dass Cystein-Proteasen von L.-major-Promastigoten die Targets des Inhibitors sind. Active-site-labeling und Untersuchungen durch Fluoreszenzaktivitatsassays mit L.-major-Promastigotenlysaten machten deutlich, dass bei Einsatz von RV122C und RV212C Cathepsin-B-ahnliche Proteasen beeinflusst werden. CS09 wies einen anderen Wirkmechanismus – ahnlich dem von E-64 – auf, wie Fluoreszenzaktivitatsassays zeigten. Hinsichtlich der Aufklarung dieser zellularen Effekte und zur Identifizierung weiterer moglicher Targets wurde ein Fluoreszenzfarbstoff-markierter Aziridin-Inhibitor (CS40) dargestellt. CS40 wies hervorragende Hemmeigenschaften an den isolierten Enzymen auf, war jedoch fur In-vitro-Untersuchungen ungeeignet, da weder leishmanizide noch trypanozide Aktivitat vorlagen. Durch antiplasmodiale Wirkung ist CS40 lediglich zu In-vitro-Studien an Plasmodien einsetzbar. Fur In-vitro-Studien wurde zur Aufklarung des Wirkmechanismus der Aziridin-2,3-dicarboxylat-basierten Inhibitoren der literaturbekannte, fur Cathepsin-L-ahnliche Enzyme selektive, Epoxid-basierte Standardinhibitor CLIK-148 als Vergleichssubstanz dargestellt. Zum Beweis der Inaktivitat des Diastereomers von CLIK-148 mit (R,R)-konfiguriertem Epoxidring wurde zudem das Derivat CS41 synthetisiert. Die Synthese hierzu erfolgte zunachst uber die stereoselektive Darstellung der trans-konfigurierten Diethyloxiran-2,3-dicarboxylate, die nach Verseifung der Ethylesterfunktionen mittels Peptidkupplungsreagezien mit den entsprechenden Aminen gekuppelt wurden. Zur Ableitung der Struktur-Wirkungs-Beziehung von Michael-Akzeptor-basierten Verbindungen wurde die Leitstruktur 16a durch Variation der Konfigurationen sowie durch Substitution der Trityl-Schutzgruppe der Glutaminseitenkette durch sterisch weniger anspruchsvolle Schutzgruppen verandert. Die Synthese erfolgte ausgehend von der Darstellung des entsprechenden Dipeptids mit Methylesterschutzgruppen. Ausgehend davon wurden die Methylesterreste entweder mit DIBAL zum entsprechenden Aldehyd reduziert oder aus Grunden der Praktikabilitat zum entsprechenden Alkohol reduziert, um anschliesend in einer Swern-Oxidation den Aldehyd zu liefern. Die Aldehyde wurden im finalen Schritt in einer Masamune-Reaktion mit Triethylphosphonoacetat zu den vinylogen Dipeptidestern umgesetzt. Die Stereoisomere CS42 und CS43 mit Tritylresten an der Glutaminseitenkette sind unspezifische, starke Inhibitoren humaner und parasitarer Enzyme. In vitro zeigten sie starke Hemmung des Parasiten-Wachstums als auch Cytotoxizitat an Makrophagen. Die Verbindungen ohne Tritylrest (CS44, CS45) erwiesen sich weder als Proteaseinhibitoren, noch in vitro als wirksam. Ferner wurden mit den synthetisierten Verbindungen in interdisziplinaren Kooperationen weitere biologische Testungen durchgefuhrt. In Selektivitatsstudien an den Aspartat-Proteasen Plasmepsin II und IV erwiesen sich die getesteten trans-konfigurierten Aziridin-basierten Inhibitoren als inaktiv, wahrend die Leitstruktur der Michael-Akzeptor-basierten Inhibitoren 16a sowie deren Distereomer CS42 (= 16b) als Inhibitoren von Plasmepsin IV identifiziert werden konnten. Weder in Testungen an Plasmodium berghei infizierten humanen Hepatomzellen in Leberstadien, noch im Blut-Hirn-Schrankenmodell einer Trypanosoma-brucei-gambiense-Infektion sowie im In-vitro-Screening an Trichomonas vaginalis zeigten die jeweils getesteten Verbindungen Aktivitat. Allein die Aziridin-2,3-dicarboxylat-basierten Cystein-Protease-Inhibitoren wiesen Wirksamkeit bezuglich des Wachstums von Schistosoma mansoni auf. In einem visuellen Phanotyp-Screening inhibierte eine Vielzahl der getesteten Verbidungen das Wachstum der jungen Form (Schistosomula), im zweiten Schritts des In-vitro-Screenings zeigte sich jedoch keine Verbindung aktiv an der adulten Form (Schistosomen) des Parasiten.
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