Gerinnungsmanagement bei der Polytraumaversorgung

2009 
In den letzten Jahren konnte ein verbessertes Verstandnis traumaassoziierter Gerinnungsstorungen (traumainduzierte Koagulopathie) durch eine Reihe neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse erreicht werden. Neben dem Gewebetrauma scheinen auch Schock und Minderperfusion fur die Entwicklung einer Koagulopathie masgeblich verantwortlich zu sein. Hypoperfusion kann uber eine Endothelaktivierung zur Hyperfibrinolyse fuhren. Additive Effekte wie Hypothermie und Acidose verstarken diese Gerinnungsstorung. Standardgerinnungstests wie Quick-Test und die Bestimmung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) werden zwar haufig zu Therapieentscheidungen herangezogen, sind aber mit Nachteilen behaftet. Die Thrombelastometrie/-graphie scheint den Routinegerinnungtests uberlegen zu sein. Da die Prophylaxe der traumainduzierten Koagulopathie einfacher als die Therapie ist, ist eine antizipierende Vorgehensweise notwendig. Wahrend die pathophysiologischen und pharmakologischen Zusammenhange der geschilderten Therapieoptionen schlussig sind, fehlt jedoch fur die meisten eine evidenzbasierte Bestatigung durch randomisierte, kontrollierte Studien. Zu dem notarztlichen und anasthesiologischen Konzept der „damage control resuscitation“ gehoren die Begrenzung der Infusion von kristalloidem und kolloidalem Volumenersatz auf einen mittleren arteriellen Druck (MAP) von ≥65 mmHg (hoher bei Schadel-Hirn-Trauma), ein aktives Warmemanagement, die Verhinderung bzw. der Ausgleich einer Acidose auf einen pH>7,2 bzw. ein „base excess“ (BE)≤−6 mmol/l sowie die fruhzeitige und ausreichende Gabe von gerinnungsaktiven Medikamenten. Da Erythrozyten auch einen betrachtlichen Anteil am Gerinnungsprozess haben, sollten bei massiver, nichtgestillter Blutung Hamoglobin- (Hb-)Werte um 6,2 mmol/l (10 g/dl) bzw. ein Hamatokrit (HKT) um 30% angestrebt werden. Ein Fibrinogenmangel entwickelt sich bei schweren Polytraumen fruh und muss adaquat ausgeglichen werden. Wenn eine Gerinnungstherapie mit gefrorenem Frischplasma (GFP) durchgefuhrt wird, mussen ausreichende Mengen (20–30 ml/kgKG) verabreicht werden, um die Gerinnungsfaktoren entsprechend anzuheben. Prothrombinkomplexpraparate (PPSB) konnen bei schweren Blutungen zur Optimierung der Thrombingenerierung hilfreich sein. Da eine Hyperfibrinolyse nach schwerem Trauma haufiger ist als bislang angenommen, sollte insbesondere bei kreislaufinstabilen Patienten an den Einsatz eines Antifibrinolytikums gedacht werden. Die Thrombozytenzahl sollten bei blutenden Polytraumata 100.000/µl nicht unterschreiten. Bei thrombopathischer, diffuser Blutung kann die Infusion von Desmopressin (DDAVP) indiziert sein. Rekombinanter aktivierter Faktor VII stellt eine Therapieoption dar, allerdings nur bei strenger Indikationsstellung und wenn oben genannte Masnahmen zur Optimierung der Gerinnungssituation ergriffen wurden.
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