Ausbilder der Nation, Integrator und Impulsgeber: Die Rolle des Handwerks im deutschen Bildungssystem

2020 
Die aktuellen Diskussionen um die Starkung des dualen Ausbildungssystems streben eine starkere Gleichstellung beruflicher- und akademischer Bildungswege an. In diesem Kontext steht die Frage nach der Rolle der beruflichen Ausbildung im Handwerk fur den gesamten Arbeitsmarkt und damit fur die Volkswirtschaft. Die Rolle der dualen Ausbildung kann dabei uber die veranderten empirischen Ausbildungsmuster sowie die veranderten Funktionszuschreibungen im Zeitverlauf beschrieben werden. In dieser Studie werden Zeitreihen zur beruflichen Bildung sowie die vorhandenen Studien zur Funktionsweise des dualen Bildungssystems genutzt, um fur den Zeitverlauf seit 1950 die zentralen Charakteristika und Funktionen des Ausbildungssystems des Handwerks zu beschreiben. Hierbei werden vier Phasen und drei Funktionsverschiebungen identifiziert, die jeweils mit strukturellen Veranderungen im Ausbildungsmarkt einhergehen. Im Ergebnis benennt die Studie folgende zentrale volkswirtschaftliche Funktionen des handwerklichen Qualifizierungssystems: Erstens gilt das Handwerk mit seiner uberproportionalen Ausbildungsleistung traditionell als "Ausbilder der Nation". 28 % der Auszubildenden werden derzeit im Handwerk auf die Tatigkeit auf dem regularen Arbeitsmarkt vorbereitet, wobei tendenziell die Schwerpunktlegung der Ausbildung auf der eigenstandigen und problemlosungsorientierten Arbeitsweise als besondere Starke des handwerklichen Qualifizierungssystems gilt. Zweitens wird dem Handwerk eine arbeitsmarkt- und sozialpolitisch masgebende Rolle als "sozialer Integrator" zugeschrieben. Als Integrator ubernimmt das Handwerk insbesondere in Zeiten der gesellschaftlichen Umbruche die Aufgabe, benachteiligte Bevolkerungsgruppen (Gefluchtete, Leistungsschwachere, Altbewerber) systematisch in das Arbeitsleben zu integrieren. Als fur diese Aufgabe besonders relevante Starke des Handwerks gilt die (oft familiengefuhrte) kleinbetriebliche Betriebsstruktur sowie die Vernetzung und ehrenamtliches Engagement in lokalen Gemeinschaften. Drittens gilt das Handwerk auch zunehmend als Impulsgeber fur die transdisziplinaren Innovationsprozesse. Als Erganzung zu akademisch-technologiebasierter Fortentwicklung der Technologien und Produkte, bringen handwerklich qualifizierte Fachkrafte Innovationsimpulse ein, die auf berufsspezifischer Spezialisierung, erfahrungsbasiertem Konnen und hochentwickelten Fertigkeiten basieren. Die Studie verdeutlicht und diskutiert die Bedeutung und Veranderung dieser Funktionen im Zeitverlauf.
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