Die medizinische Habilitation Akzeptierter Qualifikationsnachweis oder unzeitgemäßer Formalismus?: Akzeptierter Qualifikationsnachweis oder unzeitgemäßer Formalismus?

2000 
Fragestellung: Unter Bezugnahme auf den Wandel von Bildungs- und Gesellschaftsstrukturen ist in letzter Zeit auch die medizinische Habilitation als akademischer Qualifikationsnachweis in Frage gestellt worden. Vor diesem Hintergrund war das Ziel unserer Studie, ein aktuelle Meinungsbild erfolgreicher Habilitanden zu Habilitationsvoraussetzungen, Habilitationsverfahren und Stellenwert der Habilitation zu erhalten sowie potentielle Reformwunsche zu erfassen. Kollektiv und Methodik: Zielgruppe unserer Umfrage stellten die 616 Personen (weiblich: 77, mannlich 539) dar, die im Jahr 1997 an einer der 36 deutschen medizinischen Fakultaten ihre Habilitation erfolgreich abgeschlossen hatten. Datengrundlage bildete ein anonymisierter Fragebogen (23 Items), mit dem soziodemographische und berufsbiographische Merkmale (allgemeiner Teil) sowie subjektive Einschatzungen (spezieller Teil) erfast wurden. Die Rekrutierung der Umfrageteilnehmer bzw. die Weiterleitung des Fragebogens erfolgte durch die medizinischen Dekanate der jeweiligen Hochschule, da die Namen der Habilitanden den Untersuchern aus Datenschutzgru,nden nicht zuganglich waren. Die Auswertung der zuruckgesandten Fragebogen wurden mit Mitteln der deskriptiven Statistik durchgefuhrt, wobei geschlechts-, alters- und fachergruppenbezogene Untergruppenbildungen vorgenommen wurden. Ergebnisse: Der Fragebogen wurde von 389 Personen (weiblich: 46, mannlich: 343) aus 35 medizinischen Fakultaten in verwertbarer Form beantwortet (Rucklaufquote 63%). 95% der Umfrageteilnehmer waren approbierte Arzte, davon kamen 79% aus der klinischen, 16% aus der theoretischen Medizin. 81% verfugten uber eine Facharztanerkennung, 5% waren Natur- oder Geisteswissenschaftler. Das mediane Lebensalter zum Zeitpunkt der Habilitation betrug 38 Jahre (Minimum 30, Maximum 54 Jahre). Aktuell waren 93% Privatdozenten, 5% Professoren. Der Median des Intervalls zwischen Promotion und Habilitation lag bei zehn Jahren. Der Berufsweg beinhaltete in 58% einen Forschungsaufenthalt im Ausland. Als schriftliche Habilitationsleistung wurde in 90% eine eigenstandige Habilitationsschrift angefertigt, 10% hatten kumulativ habilitiert. 47% der Antwortenden waren innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Habilitation beruflich aufgestiegen, etwa zwei Drittel der Aufsteiger hatten leitende Positionen erreicht. Unter den Habilitationsvoraussetzungen wurde die Humboldtsche Trias von Forschung, Lehre und Krankenversorgung von einer eindeutigen Mehrheit akzeptiert. Als weitere Vorleistungen fur eine Habilitation wurden Publikationen, Vortragstatigkeit, Facharztstatus und Auslandserfahrung fur wichtig erachtet. Impact-Faktoren sollten dagegen nur im Verbund mit anderen Kriterien als wesentliche Habilitationsvoraussetzungen bewertet werden. Der stellenwert der Habilitation stand auser Frage, 89% wurden sie weiterempfehlen. 80% der Umfrageteilnehmer hielten jedoch eine Optimierung der Rahmenbedingungen von Habilitationsverfahren fur notwendig. Die generelle Abschaffung der medizinische Habilitation wurde dagegen von einer uberwatigenden Mehrheit nicht gewunscht. Schlusfolgerung: Der Stellenwert der medizinischen Habilitation steht bei erfolgreichen Habilitanden weitgehend auser Frage. Sie ist nach wie vor Sprungbrett fur einen beruflichen Aufstieg. Ihre Abschaffung wird von einer grosen Mehrheit nicht gewunscht. Auch die heute ublichen Habilitationsvoraussetzungen werden mehrheitlich akzeptiert. Verbesserungwurdig erscheinen jedoch die Rahmenbedingungen von Habilitationsverfahren. Hinsichtlich potentieller Reformziele wird ein breiter Konsens erkennbar.
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