L'Orientalisme juridique et droit japonais
2016
Die Diskussion um den sogenannten „Orientalism“, eine verzerrte Wahrnehmung ausereuropaischer Kulturen, spielt im Bereich der Rechtsvergleichung noch immer eine Rolle. In Europa und speziell in Italien wird das Recht Japans nach wie vor oftmals aus einer orientalistischen Perspektive betrachtet. Dem japanischen Recht ist in der Vergangenheit keine bedeutende Rolle beigemessen worden. Als Auslander erstmals in Kontakt mit Japan traten, wies das Recht des Landes keine den westlichen Rechten vergleichbare rechtlichen Strukturen auf, wie sie sich bei jenen aus dem romischen Recht entwickelt hatten. Auch fehlte es an umfassenden Kodifikationen in den einzelnen Rechtsgebieten, wie sie fur das kontinentaleuropaische Recht typisch sind. Das fuhrte zu der Annahme, dass Japan kein Rechtsstaat sei und aus kulturellen Grunden dem Aufbau einer „modernen“ Rechtsordnung kritisch gegenuber stehe. Die haufigsten Argumente, die fur diese These aus orientalistischer Sicht vorgebracht werden, sind anthropologische und soziologische Konzepte wie „Zivilisation“, „Identitat“, „Kultur“, „Ethnizitat“. Diese Begriffe werden vielfach diskutiert und ihre Bedeutung variiert von Autor zu Autor. Das japanische Verstandnis des Rechts wird aus dieser Perspektive als „einzigartig“ und gepragt von „Kultur“ und konfuzianischem Denken eingestuft. Bei der Analyse von Publikationen verschiedenster Rechtswissenschaftler, auslandischer wie japanischer, zeigt sich, dass diese Argumentationslinie von erheblicher Konstanz ist. In der italienischen Rechtswissenschaft spielt die Rechtsvergleichung mit Japan nur eine auserst marginale Rolle. Der wichtigste Grund hierfur ist, dass die Rechtsvergleichung als Disziplin in Italien insgesamt gegenuber den fur die juristische Ausbildung als „fundamental“ eingestuften Fachern als unwichtig erachtet wird. Entsprechend interessieren sich nur wenige graduierte Studierende fur das Fach und von diesen ist so gut wie niemand auf das japanische Recht fokussiert. Hinzu kommt, dass keine rechtswissenschaftliche Fakultat in Italien Kurse zum Erlernen der juristischen japanischen Fachsprache anbietet. Interessierte Wissenschaftler sind deshalb auf westliche, in der Regel englische Quellen angewiesen, was zu einer erheblichen Verengung des vergleichenden Blickwinkels fuhrt. Insgesamt muss man feststellen, dass weithin nach wie vor eine orientalistisch gepragte Sicht die Rechtsvergleichung mit Asien pragt. Es ware wunschenswert, dass sich fur den Umgang mit asiatischen Rechten eine objektive Sichtweise durchsetzt, die auf die Differenzierung zwischen „Ost“ und „West“ verzichtet. Auch sollte von kulturbasierten Erklarungsansatzen Abstand genommen werden, denen lediglich ein zweifelhafter wissenschaftlicher Wert zukommt. Wenn es uns nicht gelingt, eine dauerhafte Losung fur dieses Problem zu finden, wird die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den asiatischen Rechten weiterhin defizitar bleiben. (Die Redaktion)
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