Der Spröd-duktil-Übergang in ultrafeinkörnigem Wolfram

2021 
Exzellente mechanische Eigenschaften bei hohen Materialtemperaturen und die hochste Schmelz-temperatur aller Metalle erheben Wolfram (W) zum Material der Wahl fur Komponenten, die hochste Warmelasten zu widerstehen haben. Eine hohe Sprod-duktil-Ubergangstemperatur und das hier-durch bedingte sprode Materialverhalten bei Raumtemperatur (RT) behindern jedoch die Ausle-gung, den sicheren Umgang und Betrieb von Komponenten aus W. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass diese Limitierungen durch eine hochgradige plastische Verformung von W uberwunden werden konnen. Solch hochgradig umgeformten Materialien besitzen eine ultrafeinkornige (UFG) Mikrostruktur und zeigen selbst bei RT eine nennenswerte Brucheinschnurung im Zugversuch bzw. stabiles Risswachstum in Experimenten bruchmechanischer Natur. Die materialphysikalischen Hin-tergrunde der Duktilisierung von W durch die UFG Mikrostruktur konnten bisher nicht abschliesend geklart werden. Im Fokus der Diskussionen stehen aktuell: (i) Was ist der ratenlimitierende Prozess der Rissspitzenplastizitat und somit der Mechanismus, der den Sprod-duktil Ubergang (BDT) in UFG W kontrolliert? (ii) Welchen Beitrag leistet die UFG Mikrostruktur zu der beobachteten Ver-schiebung der BDT-Temperatur? Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Garnitur aus funf UFG W-Materialien mittels hochgradigem Warm- und Kaltwalzen produziert. Unter Zuhilfenahme eines sequenziellen Produktionsprozesses konnten, bei unveranderter chemischer Zusammensetzung, die Umformgrade der Materialien ge-staffelt realisiert werden. Der Einfluss der plastischen Verformung auf die BDT-Temperaturen wur-de anhand von bruchmechanischen Versuchen bestimmt und die Ubergangstemperatur von UFG W hinsichtlich einer moglichen Ratenabhangigkeit uberpruft. Diese Arbeit stellt nach besten Wissen die erste experimentelle Untersuchung dar, in welcher eine Ratenabhangigkeit der BDT-Temperatur in UFG W nachgewiesen werden konnte. Damit geht ein-her, dass in dieser Ausarbeitung erstmalig ein Versuch unternommen werden konnte anhand von BDT-Arrhenius-Aktivierungsenergien den ratenkontrollierenden Prozess des BDT in UFG W zu iden-tifizieren. Die Ergebnisse belegen, dass die Kinkenpaarbildung, selbst bei einem BDT weit unter-halb von RT, den ratenlimitierenden Prozess der Rissspitzenplastizitat darstellt. Unter quasi-statischer Belastung kontrolliert damit die Kinkenpaarbildung in W uber viele mikrostrukturelle Gro-senordnungen hinweg den BDT; beginnend mit Einkristallen, uber grob- und feinkornige Zustande hinunter bis zu UFG Mikrostrukturen. Hinsichtlich der mit einer plastischen Verformung einherge-henden Reduktion der BDT-Temperatur rucken Einflussanalysen die Korngrenzen in den Mittelpunkt des Interesses. Eine in dieser Arbeit entwickelte Formulierung beruhend auf den mittleren Abstan-den der Gros- und Kleinwinkelgrenzen (i) entlang der Rissfront und (ii) parallel zum Normalenvektor der nominellen Rissebene befahigt zu erfolgreichen Prognosen uber die verformungsinduzierte Reduktion der Ubergangstemperatur. Im Kontext aktueller Simulationen zum Einfluss der mittleren Distanz von Versetzungsquellen und der freien Weglange von Versetzungen stutzen die Befunde dieser Ausarbeitung die Hypothese einer entlang der Rissfront assistierten Emission von Verset-zungen als Quelle der fur W beobachteten verformungsinduzierten Reduktion der BDT-Temperatur. Als Quintessenz dieser mehr als 500 bruchmechanischen Versuchen umfassenden Studie zum BDT in UFG W (zuzuglich der mikrostrukturellen Charakterisierung) wird geschlussfolgert, dass der ge-ringe Abstand von Korngrenzen in UFG Materialien mit einer hohen Dichte an Punkten der Verset-zungsnukleation entlang der Rissfront korrespondiert und hierdurch eine effektive Abschirmung der Rissspitze erzielt wird.
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