Die Augenkiemendrüse (Pseudobranchie) der Knochenfische. Experimentelle Untersuchungen über ihre physiologische Bedeutung
1938
1.
Die Augenkiemendruse der Knochenfische ist nach ihrem anatomisch-histologischen Bau, ihrer einseitigen Beziehung zum Chorioidealkorper des Auges und nach ihrem grosen Gasstoffwechsel ein stark arbeitendes, drusiges Organ mit besonderer Aufgabe bei dem Gasstoffwechsel der Retina.
2.
Die drusigen, grosleibigen azidophilen Zellen in ihr, die stets dem pseudobranchialen lakunaren Wundernetz anliegen, sind die Trager eines organischen Stoffes, der die Reaktion H2CO3 ⇌ CO2 + H2O katalytisch beschleunigt.
3.
Kein anderes Organ oder Gewebe im Fischkorper enthalt relativ so grose Mengen dieses Fermentes wie die Pseudobranchie.
4.
Die nachstgroste katalytische Wirksamkeit zeigen Milz und Blut, dicht danach kommen die zwei inneren Augenhaute (Retina und Chorioidea mit Chorioidealkorper). Die inneren Augenhaute, deren Blutversorgung die Pseudobranchie ganz ubernommen hat, sind also auffallend stark fermenthaltig, die blutgefaslose Retina sehr viel starker als alle andern Nervengewebe im Fischkorper.
5.
Die Verteilung des Fermentes im Knochenfischkorper ist je nach der Art etwas verschieden und fur jede Art charakteristisch. Dabei herrscht im allgemeinen ein gesetzmasiger Zusammenhang: Zu verhaltnismasig schwach katalytisch aktiven Pseudobranchien gesellen sich auch verhaltnismasig schwach wirksame Augen und schwach wirksames Blut; katalytisch stark aktive Pseudobranchien versorgen auch stark wirksame Augen mit Blut. Einen gleichen Zusammenhang zeigen auch die Gewichte: Zu relative grosen Augen gehoren grose, stark katalytisch wirksame Pseudobranchien, zu kleinen Augen kleine, weniger stark wirksame Augenkiemendrusen.
6.
Das die Fermentmenge des Auges in einem gewissen Grade von der Menge in den Pseudobranchien abhangig ist, zeigen Messungen nach Entfernung von Pseudobranchienteilen oder ganzen Pseudobranchien.
7.
Die Verteilung des Fermentes im Auge ist bei im Dunkeln gehaltenen Fischen eine andere als bei Hellfischen.
8.
Bei der Gasblasenkrankheit des Auges sind neben anatomischen Veranderungen des Chorioidealkorpers andere Fermentverteilungen im Auge festzustellen, als sie das gesunde Auge besitzt. Das im Auge auftretende Gasgemisch kann mehr Sauerstoff enthalten als die Luft. Die Gasblasenkrankheit last vermuten, das der Chorioidealkorper eine Regulation bei dem Gasstoffwechsel der Retina zu besorgen hat.
9.
Aus den Messungsergebnissen kann geschlossen werden, das das Pigmentepithel der Retina und vielleicht auch das retinale Sinnesepithel besonders stark fermenthaltig sind.
10.
Ein Vergleich mit anderen Wirbeltieren ergibt, das die Retina der Pseudobranchien-Knochenfische besonders grose Mengen des Fermentes enthalt. Aber auch bei fast allen andern Wirbeltieren ist die Retina verhaltnismasig oder auffallend stark fermenthaltig. Der Pecten der Vogel ist nach dem Blut das am starksten katalytisch wirksame Organ des Vogelkorpers.
11.
Die Kiemen aller untersuchten Knochenfischarten hatten hauptsachlich da, wo das venose Blut zufliest, die gleichen azidophilen Drusenzellen, welche die Pseudobranchien uberall besitzen. Katalytische Wirksamkeit des Kiemenextraktes und Menge der azidophilen Drusenzellen in der Kieme stehen in einem gewissen Zusammenhang.
12.
Das das in den Kiemen (auch von Wirbellosen) besonders stark angehaufte Ferment zur Beschleunigung des auseren Gasstoffwechsels dient, kann als erwiesen angenommen werden. Die dicke, gefaslose Retina der Knochenfische und die anderer Wirbeltiere benotigen es wohl fur den inneren Gasstoffwechsel. In der Pseudobranchie wird hochstwahrscheinlich der katalytisch wirksame Stoff erzeugt und in dem Chorioidealkorper die zur Retina gehende Menge nach dem Bedarf reguliert. Die Pseudobranchie kann daher in Verbindung mit dem Chorioidealkorper als Atmungshilfsorgan der Retina angesprochen werden.
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