Soziologische Perspektiven des Wandels und Zerfalls der Familie: Ein Abriss

2010 
Der als solcher diagnostizierte Zerfall der (amerikanischen) Familie ist ein pro¬minentes Thema sowohl in der offentlichen Diskussion in den Vereinigten Staaten als auch in den Sozialwissenschaften. Auf beiden Seiten, insbesondere aber in den Sozialwissenschaften, lassen sich diese Debatten nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Das zeigt sich bereits daran, dass zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Diagnosen gestellt oder fruhere Auffassungen revidiert wurden. Das Kontraktionsgesetz von Emile Durkheim ist beispielhaft fur eine solche Korrektur. Bei Marx und Engels beispielsweise waren Uberlegungen zum Wandel der Familie in einen kapitalismuskritischen Kontext eingebettet, denn die kapitalistische Form der Warenproduktion fuhrte ihrer Ansicht nach auch zum Zerfall der Arbeiterfamilien durch die Ausbeutung von Frauen und Kindern als billige Arbeitskrafte in den Fabriken. Herbert Spencer sah in Ehe und Familie eine evolutionare Entwicklung weg von zugeschriebenen Pflichten hin zu einer freiwilligen Beziehung, wahrend Georg Simmel – ahnlich wie Durkheim – einen Funktionsverlust der Familie diagnostizierte und auf die Veranderung der Familiengrose und die Perspektive eines damit verbundenen Wandels von der erweiterten hin zur nuklearen Form der Familie vertrat (vgl. Popenoe 1988: 15 ff.). Gerade in den USA fielen die Vorstellungen Durkheims auf fruchtbaren Boden. Sie reiften aber weniger in der Vorstellung einer Anpassung der Familie an die neuen gesellschaftlichen Voraussetzungen als vielmehr in der Uberzeugung, die Familie in ihrer „ursprunglichen“ Form schutzen zu mussen. Der sozialreformerische Charakter der fruhen Chicago School ist kennzeichnend fur ein solches Verstandnis.
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