Erfassung des funktionellen und nutritiven Status hochbetagter Patienten in der kardiologischen Rehabilitation : vergleichende Untersuchung möglicher Assessments

2021 
Einleitung Altere Patienten mit Herzklappenerkrankungen werden zunehmend haufig mit der kathetergestutzten Aortenklappenimplantation (Transcatheter Aortic Valve Implantation, TAVI) oder dem MitraClip®-Verfahren behandelt. In der kardiologischen Rehabilitation nimmt infolgedessen die Patientenpopulation der Hochbetagten stetig zu. Die funktionale Gesundheit dieser Patienten wird durch haufig auftretende, sogenannte geriatrische Syndrome wie Multimorbiditat, Mangelernahrung, Gebrechlichkeit oder Sturzereignisse beeinflusst. Insbesondere die eingeschrankte Mobilitat und Mangelernahrung sind wichtige Pradiktoren fur die Prognose der Patienten nach TAVI. Etablierte Verfahren, um die korperliche Leistungsfahigkeit von kardiologischen Rehabilitanden zu beurteilen, sind die Belastungsergometrie und der 6-Minuten-Gehtest. Allerdings ist nahezu die Halfte der hochbetagten Patienten nicht in der Lage, eine Belastungsergometrie durchzufuhren. Bislang erfolgt in der kardiologischen Rehabilitation keine differenzierte Erfassung des funktionellen Status hinsichtlich Mobilitat, Kraft und Gleichgewicht, um die geriatrischen Syndrome individuell zu beurteilen. Daruber hinaus werden keine Assessments zur Erfassung des Ernahrungsstatus eingesetzt. Daher war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Auspragung des funktionellen und nutritiven Status alterer Patienten anhand geeigneter Assessments in der kardiologischen Rehabilitation zu ermitteln. Methode Zwischen Oktober 2018 und Juni 2019 nahmen Patienten im Alter von 75 Jahren oder alter nach TAVI, atrioventrikularer Intervention mittels MitraClip®-Verfahren (AVI) oder perkutaner Koronarintervention (PCI) an der Studie teil. Zu Beginn der kardiologischen Rehabilitation wurden soziodemografische Daten, echokardiografische Parameter (z. B. links und rechtsventrikulare Ejektionsfraktion, Herzrhythmus) und Komorbiditaten (z. B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, orthopadische Erkrankungen) erhoben, um die Patientenpopulation zu beschreiben. Zusatzlich wurde die Gebrechlichkeit der Rehabilitanden mit dem Index von Stortecky et al., bestehend aus den Komponenten Kognition, Mobilitat, Ernahrung und Aktivitaten des taglichen Lebens, beurteilt. Der 6-Minuten-Gehtest diente zur Ermittlung der korperlichen Leistungsfahigkeit der Patienten. Die Mobilitat wurde mit Hilfe des Timed-Up-and-Go-Tests, die Ganggeschwindigkeit mit dem Gait Speed Test und die Handkraft mit dem Hand Grip Test erfasst. Fur die Objektivierung des Gleichgewichts wurde eine Kraftmessplatte (uni- und bipedaler Stand mit geoffneten und geschlossenen Augen) erprobt, die bislang bei alteren Rehabilitanden noch nicht eingesetzt wurde. Der Ernahrungsstatus wurde mit dem Mini Nutritional Assessment-Short Form und den ernahrungsbezogenen Laborparametern (Hamoglobin, Serumalbumin, Eiweiskonzentration) erfasst. Die Eignung der Assessments bewerteten wir anhand folgender Kriterien: Durchfuhrbarkeit (bei ≥ 95 % der Patienten durchfuhrbar), Sicherheit (< 95 % Sturze oder andere unerwunschte Ereignisse) und der Pearson-Korrelationen zwischen den funktionellen Tests und dem Goldstandard 6-Minuten-Gehtest sowie den Laborparametern und dem Mini Nutritional Assessment-Short Form. Ergebnisse Es wurden 124 Patienten (82 ± 4 Jahre, 48 % Frauen, 5 ± 2 Komorbiditaten, 9 ± 3 Medikamente) nach TAVI (n = 59), AVI (n = 21) und PCI (n = 44) konsekutiv in die Studie eingeschlossen. Etwa zwei Drittel aller Patienten der Gesamtpopulation waren als gebrechlich zu klassifizieren, bei einer mittleren Punktzahl von 2,9 ± 1,4. Annahernd die Halfte der Patienten zeigte eine eingeschrankte korperliche Leistungsfahigkeit aufgrund einer reduzierten 6-Minuten-Gehstrecke (48 % 10 s). Es wurden eine mittlere Gehstrecke von 339 ± 131 m und eine durchschnittliche Zeit im Timed-Up-and-Go-Test von 11,4 ± 6,3 s erzielt. Daruber hinaus wies ein Viertel der Patienten eine eingeschrankte Ganggeschwindigkeit (< 0,8 m/s) auf und etwa 35 % von Ihnen zeigten eine reduzierte Handkraft (Frauen/Manner < 16/27 kg). Im Mittel wurde eine Geschwindigkeit von 1,0 ± 0,2 m/s im Gait Speed Test sowie eine Handkraft von 24 ± 9 kg im Hand Grip Test erreicht. Ein Risiko einer Mangelernahrung konnte bei 38 % (< 12 Punkte) der Patienten nachgewiesen werden bei einer mittleren Punktzahl von 11,8 ± 2,2 im Mini Nutritional Assessment-Short Form. Im Vergleich zwischen den einzelnen Subpopulationen bestanden keine statistisch signifikanten Unterschiede in den Ergebnissen der funktionellen Assessments. Bezuglich des Ernahrungsstatus wiesen allerdings die Patienten nach AVI einen statistisch signifikant niedrigeren Punktewert im Mini Nutritional Assessment-Short Form (10,3 ± 3,0 Punkte) auf als die Patienten nach TAVI (12,0 ± 1,8 Punkte) und PCI (12,1 ± 2,1 Punkte), wobei etwa 57 % der Patienten nach AVI, 38 % nach TAVI und 50 % nach PCI ein Risiko einer Mangelernahrung zeigten. Mit Ausnahme der Tests auf der Kraftmessplatte waren alle Assessments durchfuhrbar und sicher. Wahrend 86 % der Patienten den bipedalen Stand mit geschlossenen Augen auf der Kraftmessplatte durchfuhren konnten und damit nahezu den Grenzwert von 95 % erreichten, war der unipedale Stand mit 12 % an durchfuhrbaren Messungen weit von diesem entfernt. Der Gait Speed Test (r = 0,79), Timed-Up-and-Go-Test (r = 0,68) und Hand Grip Test (r = 0,33) korrelierten signifikant mit dem 6-Minuten-Gehtest, Hamoglobin (r = 0,20) und Albumin (r = 0,24) korrelierten mit dem Mini Nutritional Assessment-Short Form. Schlussfolgerung Uber die bestehende Multimorbiditat und Multimedikation hinaus wiesen die untersuchten Patienten vor allem eine eingeschrankte Mobilitat und ein Risiko einer Mangelernahrung auf, wobei die Subpopulation nach AVI besonders betroffen war. Um den Bedurfnissen hochbetagter Rehabilitanden nach kathetergestutzer Intervention gerecht zu werden, ist eine individuelle Behandlung der einzelnen Defizite erforderlich, mit besonderer Berucksichtigung der Komorbiditaten sowie der geriatrischen Kofaktoren. Aufgrund des multidisziplinaren Ansatzes erfullt die kardiologische Rehabilitation bereits die Voraussetzung, hochbetagte Patienten bedarfsgerecht zu behandeln, jedoch mangelt es an Assessments, um die individuellen Defizite der Patienten zu identifizieren Der Gait Speed Test, der Timed-Up-and-Go-Test und der Hand Grip Test sollten daher in den klinischen Alltag der kardiologischen Rehabilitation implementiert werden, um die korperliche Funktion und Leistungsfahigkeit alterer Patienten detailliert zu beurteilen. In Kombination dieser Assessments mit dem Mini Nutritional Assessment-Short Form konnen die individuellen funktionellen und nutritiven Bedurfnisse der Patienten wahrend der Rehabilitation erkannt und mit geeigneten Masnahmen die weitere Ausbildung geriatrischer Syndrome gemindert werden.
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