Musikaliengestaltung im Vergleich: J.S.Bachs „Dritter Teil der Klavierübung“ in verschiedenen Drucken

2016 
Die schriftliche Fixierung eines musikalischen Werkes kann nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen, zwei verschiedene Ziele im Auge haben: zum einen eine Sichtbarmachung der Kompositionsstruktur, zum anderen eine Anweisung zur spielpraktischen Ausfuhrung. Besonders bei Notierung von polyphoner Mehrstimmigkeit in einem System so bei Klavierund Orgelwerken geraten diese Ziele nicht selten in Konflikt zueinander. Die Notation von Werken fur Tasteninstrumente auf zwei Systemen geschieht zunachst aus Grunden der Tonhohenanordnung: Um die Notation im Violinschlussel von derjenigen im Basschlussel abzuheben, sind die zwei Systeme deutlich voneinander getrennt. Gleichzeitig wird diese Aufteilung eines ,Oben' und , Unten' als eine spielpraktische Notation genutzt und in der Regel gleichgesetzt mit einer Verteilung der zu spielenden Noten auf die rechte und linke Hand. Dieser in beiden Fallen technische Notbehelf darf nicht daruber hinwegtauschen, das es sich bei der Komposition um ein klangliches Ganzes handelt, das sich nicht kunstlich in zwei Halften teilen last. (Anders verhalt sich die Sache naturlich bei Kompositionen mit eindeutiger Trennung von Melodie und Begleitung.) Die Aufteilung einer ganzheitlich zu sehenden Komposition in zwei Systeme hat fur die Wahrnehmung ihrer Struktur sicherlich Konsequenzen,somit ist es nicht unerheblich, wie diese Aufsplittung erfolgt. Ein Vergleich von Drucken aus verschiedenen Jahrhunderten1 soll der Frage nachgehen, wie die verschiedenen Ausgaben mit der Anordnung der Komposition verfahren sind, und welche unterschiedlichen Auffassungen daraus resultieren konnen. Fur die Originaldrucke ist der geringe Raum zwischen den Systemen charakteristisch, der zusammen mit den durchgezogenen Hilfslinien und einer mittig stehenden C-Linie fur beide Systeme einen gewissen Zusammenhalt der Systeme gewahrleistet. Der Eindruck eines Ganzen der beiden Systeme ergibt sich weiterhin dadurch, das der Raum zwischen den Systemen typographisch vielfach genutzt wird: Zeichen sowohl des unteren als auch des oberen Systems ragen weit in diesen Raum hinein, ja stosen sogar in einigen Fallen an bzw. in das ,andere' System (z.B. im Praludium in den Takten 8 oder 9) und beruhren sich gegenseitig. Die Grunde hierfur sind auser in dem engen Raum in der Tatsache zu suchen, das die Stiele bei ausreichend vorhandenem Platz ihre volle Lange (von drei Zwischenraumen des Systems) behalten und nicht wie heute ublich in bestimmten Fallen2 gekurzt werden. Der ,weise' (linienlose) Raum zwischen den Systemen ist in den Orginaldrucken (besonders in dem des Christe) als eigener, zusatzlicher Notationsraum aufgefast und benutzt worden und nicht als behelfsmasige' Fortsetzung des Funfliniensystems: Im Praludium, noch starker aber im Christe steht die C-Linie (als einzig benutzte Hilfslinie') haufig mittig zwischen beiden Systemen und gilt gleichermasen fur das untere und obere System. Diese gemeinsame C-Linie ist aufgrund ihrer veranderten Position in der Vertikalen (sie setzt nicht die im System ublichen Abstande zwischen den Linien fort) nicht mehr als Hilfslinie im heutigen Sinne anzusehen.
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