Mentalities Matter: Sozial-ökologische Mentalitäten und ihre Bedeutung in post-fossilen Transformationen
2021
Es besteht weitgehend Einigkeit daruber, dass eine Transformation hin zu einer post-fossilen Wirtschaft auf Grundlage erneuerbarer und bio-basierter Energien und Ressourcen unvermeidlich ist, und dass dies grundlegende strukturelle Veranderungen in modernen Gesellschaften verlangt. Diese Veranderungen werden jedoch bislang vor allem als technologische Innovationen und Umgestaltungen von Produktionsprozessen und Infrastrukturen verstanden. Weitaus weniger beachtet werden dagegen die Fragen, wie sich post-fossile Transformationen auf die gegenwartig verbreiteten Lebensweisen bzw. typischen Muster von Alltagspraktiken sowie auf die Mentalitaten bzw. Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsgewohnheiten der in diesen Gesellschaften lebenden Menschen auswirken (mussen), die ihrerseits nicht minder von 200 Jahren Fossilismus gepragt sind. Dieses Working Paper stellt unseren Ansatz einer relationalen sozial-okologischen Mentalitatsforschung vor, den wir als notwendige Erganzung zur bestehenden Forschung uber postfossile Transformationsprozesse vorschlagen, um diese beiden Dimensionen systematisch in den Blick zu nehmen. Es erortert zunachst den Mentalitatsbegri als konzeptionellen Ausgangspunkt, skizziert seine Ursprunge in der Tradition der deutschen Soziologie und gibt ihm eine solidere theoretische Grundlage, indem es ihn in Pierre Bourdieus eorie der Praxis mit ihrem Habituskonzept verankert. In Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Debattenstrangen der sozial-okologischen Forschung (u.a. zu gesellschaftlichen Naturverhaltnissen, den materiellen, institutionellen und mentalen Infrastrukturen fossiler Wachstumsgesellschaften und den Dynamiken von Externalisierung und Ungleichheit, die den entsprechenden Lebensweisen zugrunde liegen) schlagen wir eine Reihe von Erweiterungen vor, durch die sich die relationale Praxistheorie fur sozial-okologische Fragen sensibilisieren lasst. Hiervon ausgehend schlagen wir ein "sozial-okologisches Update" von Bourdieus Praxistheorie vor, das sie mit dem Konzept der "sozialen Naturbeziehungen" und der Konstruktion eines "Raums der sozialen Naturbeziehungen" in Analogie und Erganzung zum Raum der sozialen (Klassen-)Beziehungen an diese Debatten anschliest.
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