Produktion und Einsatz von Enzymen in der Lebensmittelbiotechnologie

1995 
Die Hauptaufgabe der Lebensmittelindustrie ist die Veredelung vorwiegend pflanzlichen Materials zu Produkten hoher Qualitat, die den Vorstellungen und Wunschen der Verbraucher entsprechen. Da diese in die Richtung Naturnahe, Vertraglichkeit und moglichst geringe Veranderung bei der Verarbeitung gehen, lautet die Maxime: so wenig wie moglich verandern und nur das unbedingt notige Mas an Zutaten verwenden. Bei derzeitig angewandten Verfahren in der Lebensmitteltechnologie ist ein bestimmter Qualitatsverlust bei der Umwandlung vom Rohrmaterial zum Endprodukt meist unvermeidlich. Hinzu kommt, das der Verbraucher bestimmten Masnahmen bei der Lebensmittelproduktion (beispielsweise dem Einsatz von Pestiziden im Ackerbau oder der Verwendung von Konservierungsstoffen) sehr kritisch gegenubersteht. Er will hohe Qualitat von sicheren Nahrungsmitteln, die auf naturliche Art und Weise hergestellt wurden. Industrie und Handel mochten diesen Wunschen bereits im Vorfeld entgegenkommen und ein reiches Angebot von Nahrungsmitteln zur Verfugung stellen, das den Vorstellungen von Vollwertigkeit, Bekommlichkeit, Frische usw. entspricht. Die moderne Biotechnologie versetzt uns in die Lage, insbesondere durch den Einsatz der „genetischen Modifikation”, neue und verbesserte Produkte aus biologischen Rohstoffen und mit Hilfe biologischer Verfahren zu erzeugen. Sie kann die Lucke zwischen den Verbraucherwunschen einerseits und den derzeit gangigen Verfahren der Lebensmitteltechnologie andererseits schliesen. In der Idealvorstellung wurde das biologische (pflanzliche) Rohmaterial genetisch so optimiert, das die Verarbeitung zum Handelsprodukt nur noch geringe verfahrenstechnische Eingriffe erfordert. Meist sind wir von diesem ehrgeizigen Ziel weit entfernt, da wir noch zu wenig Kenntnisse und Erfahrung in der genetischen Manipulation von Pflanzen und von Stoffwechselwegen besitzen. In naher Zukunft wird man sich deshalb einer Kombination von genetischer Verbesserung der Rohprodukte einerseits und den Verarbeitungstechniken andererseits bedienen mussen, um den heutigen Verbraucherwunschen nahezukommen. Allerdings kann die Biotechnologie auch in der Verarbeitung eine wichtige Rolle spielen. In dieser Hinsicht ist besonders der Einsatz von Enzymen wegen der Naturnahe und der ublicherweise milden Bedingungen ein Mittel der Wahl. Da die Enzyme hochspezifische Biokatalysatoren sind, last sich der Verfahrensablauf exakt kontrollieren und eine hohe Qualitat der erzeugten Lebensmittel garantieren. Dies last sich an zwei Beispielen fur die Erzeugung bestimmter Verbindungen mit Hilfe der Biotechnologie von Enzymen oder Mikroorganismen illustrieren: Enzymatische Umesterung – Mit Hilfe von spezifischen Lipasen konnen ein oder zwei Fettsaurereste von Fettmolekulen (Fettsaureester des Glycerins) gegen andere Fettsauren ausgetauscht werden, welche spezielle Fette mit wesentlich verbesserten Eigenschaften ergeben (Abbildung 1). Veranderung von Guar – Guargummi besteht aus einem Skelett aus Mannoseresten, von denen einige Galactoseseitenketten tragen. Es ist ein interessantes Geliermittel beispielsweise fur Speiseeis, Brotaufstriche und Salatsosen. Eine teilweise Entfernung der Galactosereste durch α-Galactosidase fuhrt zu einem Gummi mit verbesserten Eigenschaften. Das Gen fur die α-Galactosidase wurde aus einer Pflanze isoliert und in Form multipler Kopien in einen Hefestamm geklont. Mit dieser Hefe kann die α-Galactosidase nun biotechnisch im Grosmasstab produziert und zur Modifikation des Rohprodukts Guar eingesetzt werden. Die beiden Beispiele reprasentieren neue Anwendungen der Biotechnologie; man darf jedoch nicht vergessen, das der Einsatz biologischer Agenzien (Enzyme oder Mikroorganismen) in der Lebensmittelherstellung seit uralten Zeiten ublich ist: Brotherstellung (Backerhefe), Kaserei (Milchsaurebakterien), Bierbrauerei und Weinherstellung. In Fernost werden proteinreiche Pflanzenprodukte (zum Beispiel Soja) in traditionellen Verfahren (de facto aber durch die Enzyme einer Vielzahl von Mikroorganismen) zu einer bunten Palette von Nahrungsmitteln verarbeitet (Sojasose, Tempeh), die einen wichtigen Teil der taglichen Ernahrung darstellen. In den folgenden Kapiteln werden zwei Beispiele aus der Obstverarbeitung beziehungsweise Brotherstellung naher beschrieben, welche die erfolgreiche Anwendung moderner Biotechnologie bei der Herstellung einschlagiger Enzyme aus Mikroorganismen zeigen.
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