Gärgas: Die Kriminalromane von Alfred Komarek

2008 
I 1998 veroffentlichte der osterreichische Schriftsteller Alfred Komarek1 den Kriminalroman Polt muss vceinen. Fur diesen Krimi erhielt Komarek ein Jahr spater von der Autorengruppe "Das Syndikat" den nach dem Schweizer Krimiautor Friedrich Glauser benannten Preis fur den besten deutschsprachigen Kriminalroman des Vorjahres. Die Jury hob in ihrer Begrundung fur die Preisverleihung u. a. die "atmospharisch dicht[e]" Schilderung des Schauplatzes, ein "wohltuend ruhiges Erzahltempo" und den gelungenen Versuch, "Anspruch und Unterhaltung miteinander zu verbinden" hervor (Lexikon derdeutschen Krimi-Autoren). Dem ersten Krimi mit Gruppeninspektor Simon PoIt ais Hauptfigur folgten zwischen dem Jahr 2000 und 2003 noch drei weitere mit den Titan Biumen fur PoIt (2000); Himtnel, Pohund Holle (2001) unaPolterabend (2003).2 MitPolterabend, an dessen Ende Simon PoIt den Polizeidienst aufgibt, wurde die Serie abgeschlossen. Die Krimis mit Simon PoIt ais Hauptfigur prasentieren sich zunachst einmal ais Detektivromane, d.h. sie sind im Sinne von Richard Alewyn analytisch erzahlte Geschichten der Aufklarung von Verbrechen.3 Wie die Titel anzeigen, steht die Detektiv-Figur im Mittelpunkt. Der Schauplatz ist ein Dorf in Niederosterreich, dadurch ist der Kreis der Verdachtigen grundsatzlich auf eine uberschaubare Gruppe beschrankt. Durch diese narrative Struktur werden die Leser auf das Schema des klassischen whodunit oder des angloamerikanischen Ratselromans der zwanziger und dreisiger Jahre, des so genannten golden âge des Detektivromans, eingestellt. Die Dorf idylle, die durch das Verbrechen bedroht ist und von einer mit unkonventionellen Methoden arbeitenden Detektivfigur gerettet wird, erinnert an Agatha Christies fiktiven Ort "St. Mary Mead" und ihre Detektivin Miss Marple. Andere intertextuelle Signale relativieren jedoch das scheinbar einfache und offensichtliche BiId, das die Erwartungshaltung der Leser lenkt. Wenn Simon PoIt etwa am Anfang von PoIt muss weinen ironisch als "unser Maigret" bezeichnet wird, sieht man sich auf eine ganz andere Tradition verwiesen, namlich diejenige des psychologisierenden Kriminalromans, der die Leser und den Detektiv sich in die Innenwelt des Taters und zuweilen auch des Opfers hineinversetzen lasst. Abweichend vom klassischen Schema ist der Detektiv auch kein Amateuroder Privatdetektiv, sondern ein Polizist, also jemand, der die Autoritat und das Gewaltmonopol des Staates vertritt. Am Ende des letzten Romans der Serie quittiert dieser Polizist seinen Dienst. Das Projekt, mittels seiner unkonventionellen Polizeiarbeit dazu beizutragen, dass die Dorfgemeinschaft angesichts eines immer intensiver werdenden Modernisierungsprozesses erhalten bleibt, ist offenbar zum Scheitern verurteilt. Die wichtigste Abweichung vom regelgeleiteten Muster des Kriminalromans als literarischem Ratsel besteht jedoch in der Tatsache, dass die Leser in den Simon-Polt Krimis am Detektionsprozess nicht teilnehmen konnen. Im ersten Roman der Reihe etwa kommt der Tater wahrend der Detektion so gut wie nicht vor. Zwar ist er immer im Hintergrund prasent, aber er kommt bis zum Schluss nie wirklich in den Blick des Detektivs oder der Leser. Auch in den drei anderen Romanen gerat die Detektion gegenuber der Milieudarstellung auf eine Weise in den Hintergrund, dass die Leser nach den vom Regelkatalog des whodunit geforderten clues oder Hinweisen meist vergeblich suchen. Man kann diese Abweichungen als Regelverstose interpretieren, wenn man die mehrfach formulierten Regeln des klassischen Detektivromans zugrunde legt. Dann lagen hier etwa Verstose gegen die Hauptregel vor, die besagt, dass im Detektivroman fair play herrschen muss, die Leser also die gleiche Chance wie der Detektiv haben mussen, die Losung des Ratsels zu finden. Oder man musste feststellen, dass ein Verstofi gegen die dritte Regel vorliegt, wie sie von S. S. Van Dine (Willard Huntington Wright) auf unnachahmliche Weise in Worte gef asst wurde: "Es darf keine liebesgeschichte geben. …
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