Charakterisierung des Channelrhodopsin-2 aus Chlamydomonas reinhardtii als nicht-invasives, optogenetisches Werkzeug zur funktionellen Analyse elektrischer Signale in Pflanzen

2020 
Ebenso wie Tiere verfugen Pflanzen uber die Fahigkeit elektrische Signale zu generieren. Dabei reprasentieren elektrische Signale – Membranpotentialanderungen an der Plasmamembran – die fruhesten Antworten, welche an Pflanzenzellen im Zuge veranderter externer und intrinsischer Bedingungen beobachtet werden konnen. Stimuli wie Kalte, Hitze, Verwundung, Herbivorie und Pathogene, aber auch physiologische Prozesse, wie Wachstum und Bestaubung fuhren zur Anderung des Potentials der Plasmamembran pflanzlicher Zellen. Die meisten dieser Membranpotentialanderungen bestehen aus einer schnellen Depolarisation, gefolgt von einer Repolarisation des Membranpotentials, deren Kinetik, in Abhangigkeit des Stimulus hoch variabel sein kann. Das Wissen uber die molekularen Grundlagen der Generierung und Weiterleitung elektrischer Signale in Pflanzen ist im Gegensatz zu Tieren nur wenig verstanden. Eine Ausnahme stellen ‚klassisch-erregbare‘ Pflanzen wie die Venusfliegenfalle oder die Mimose dar. In diesen Pflanzen fuhrt ein Beruhrungsreiz zur Auslosung eines charakteristischen Aktionspotentials, welches in der Folge zu einer, auf differentiellen Turgoranderungen basierenden, nastischen Bewegung fuhrt. In allen anderen Pflanzen ist die Kinetik der Membranpotentialanderungen sehr variabel, abhangig vom Stimulus und dem physiologischen Zustand der Zellen und – mit Ausnahme der Reaktion auf einen Kaltestimulus – lediglich nach langen Latenzzeiten wiederholbar. Dieser Umstand verhindert eine systematische Analyse der molekularen Basis elektrischer Signale in den meisten Pflanzen. Ziel dieser Arbeit war es daher, auf der Basis des Channelrhodopsin-2 (ChR2) aus der Grunalge Chlamydomonas reinhardtii, welches bereits seit 2005 in der Neurobiologie genutzt wird, ein nicht-invasives Werkzeug zur funktionellen Analyse elektrischer Signale in Pflanzen zu etablieren. ChR2 ist ein Blaulicht-aktivierter Kationenkanal, der fur seine Funktion all trans-Retinal als Cofaktor benotigt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Varianten des ChR2, mit einem Schwerpunkt auf ChR2-C128T und vor allem ChR2-D156C, auch bekannt als ChR2-XXL eingesetzt. ChR2 konnte bereits durch M. Baumann im Rahmen ihrer Dissertation funktionell im transienten Expressionssystem Nicotiana benthamiana dargestellt werden. In der vorliegenden Arbeit wurde das System weiter ausgebaut und die besonders aussichtsreichen ChR2-Varianten nicht nur in N. benthamiana, sondern auch in stabilen Arabidopsis thaliana Linien funktionell charakterisiert. Dabei konnte mit dem ChR2-XXL ein geeignetes optogenetisches Werkzeug zur Untersuchung elektrischer Signale in Pflanzen identifiziert werden. ChR2-XXL bietet die Moglichkeit das Membranpotential durch kurze, 5 s Blaulichtpulse im Mittel um 95 mV zu depolarisieren und im Anschluss die Repolarisationsphase zu untersuchen. Blaulicht-induzierbare, ChR2-XXL-vermittelte Depolarisationen konnten, reproduzierbar und beliebig oft an den gleichen Zellen wiederholt ausgelost werden. Dadurch ermoglicht ChR2-XXL die bisher nur unzureichend bekannten molekularen Komponenten der Repolarisation des Membranpotentials in Pflanzen zu erforschen. In tierischen Zellen generieren spannungsabhangige Natriumkanale die Depolarisation, wahrend spannungsabhangige Kaliumkanale die Depolarisationskinetik bestimmen. Die im Vergleich zu tierischen Zellen veranderten Ionengradienten lassen vermuten, dass die pflanzliche Depolarisation im Wesentlichen durch Ca2+-abhangige Anionenkanale vermittelt wird, die durch den Efflux von Cl- das Membranpotential depolarisieren. Fur die Repolarisation wird zum einen die Beteiligung von auswartsgleichrichtenden Kaliumkanalen postuliert. Zum anderen wird auch eine Beteiligung der Plasmamembran (PM) H+-ATPasen vermutet, welche gleichzeitig einen essentiellen Beitrag zur Generierung des Ruhepotentials leisten. In der vorliegenden Arbeit wurde es durch den Einsatz von ChR2-XXL moglich, beide potentiellen Komponenten der Repolarisationsphase, Kaliumkanale und PM H+-ATPasen, erstmals durch eine nicht-invasive, Anionen-unabhangige Methode der Depolarisation zu untersuchen. Durch den Einsatz von Mutanten und Kaliumkanalinhibitoren konnte ein moglicher Beitrag des auswartsgleichrichtenden Kaliumkanals Arabidopsis thaliana GUARD CELL OUTWARD RECTIFYING K+ CHANNEL (AtGORK) an der Repolarisationsphase in Arabidopsis Mesophyllzellen nahezu ausgeschlossen werden. Der auswartsgleichrichtende Kaliumkanal GORK offnet erst bei Membranpotentialen positiv vom Gleichgewichtspotential fur Kaliumionen (EK (-118 mV)). Da die ChR2-induzierbaren Depolarisationen ebenso wie viele naturliche Stimuli, diesen Wert kaum erreichen oder nur geringfugig uberschreiten, leistet der GORK einen geringfugigen Beitrag bei der Repolarisation. Dies lies vermuten, dass die Repolarisation von EK bis zum Ruhepotential bei ca. -180 mV dagegen moglicherweise durch die PM H+-ATPasen bewerkstelligt wird. Die Wirkung des PM H+-ATPase Inhibitors Natriumorthovanadat, sowie des PM H+-ATPase Aktivators Fusicoccin auf die Repolarisationsphase konnten diese Hypothese unterstutzen. Die Hemmung der PM H+-ATPasen verlangsamte die Repolarisationskinetik wahrend eine Aktivierung der PM H+-ATPasen diese beschleunigte. So wurde es erstmals moglich den genauen Einfluss der PM H+-ATPasen auf Wiederherstellung des Membranpotentials wahrend der Repolarisation in Mesophyllzellen zu studieren. Daruber hinaus wurde beobachtet, dass in Gegenwart des Kaliumkanalblockers Ba2+ die Repolarisation ebenfalls beschleunigt werden konnte. In Ubereinstimmung mit dem ‚Pump-and-Leak‘-Modell (Alberts et al. 2002) deutet dies darauf hin, dass schwach einwartsgleichrichtende Kaliumkanale, wie der ARABIDOPSIS K+ TRANSPORTER 2 (AKT2) dem PM H+-ATPasen Protonengradienten entgegenwirken und somit das Ruhepotential aus der Summe der bewegten Ladungen von Pumpen und Kaliumkanalen bestimmt wird. Das mogliche Potenzial optogenetischer, Rhodopsin-basierter Werkzeuge fur die molekulare Analyse elektrischer Signale, insbesondere unter Einsatz der breiten Palette lichtgesteuerter Pumpen und Kanale, ihrer spektralen Diversitat und ihrer Einkreuzung in ausgewahlte Arabidopsis Mutanten wird diskutiert.
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