"Mit Geschaffnem grüßt man sachte, was nur das Erleben brachte": Verfolgung, Flucht und Exil im Spiegel der autobiographischen Schriften der Familie Alfred Kerrs

2009 
Im Fall der Familie Kerr liegt eine fur den Literaturwissenschaftler einmalige Situation vor: Die literarische Verarbeitung der zeitgeschichtlichen Erfahrungssituation Exil lasst sich innerhalb zweier Generationen der Familie anhand mehrerer Werke erforschen, die sich bespiegeln, erganzen und widersprechen. Die autobiographisch gepragten Texte sind Alfred Kerrs Ich kam nach England und Der Dichter und die Meerschweinchen, Judith Kerrs Trilogie Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Warten bis der Frieden kommt und Eine Art Familientreffen sowie Michael Kerrs As far as I remember. Im komplexen Zusammenwirken von individuell-lebensgeschichtlicher, familiengeschichtlicher und exilantenkollektiver Erinnerung und in den differierenden Haltungen zu den Gastlandern ergeben sich unterschiedliche Perspektiven, Verarbeitungs- und Adressierungsstrategien. Aus den unterschiedlichen Erzahl- und Schreibkonstellationen zwischen den 1940er- bis 1990er-Jahren resultiert ein Spektrum von literarisch ambitionierten Verfahren bis hin zu Kinder- und Jugendliteratur und memoirenhaften Dokumentationen. Die prasentierten Darstellungen der Vergangenheit werden durch biographisch-familiengeschichtliche Materialien, durch die Publikationen der beiden Familienmitglieder, durch Interviews mit Judith und Michael Kerr und durch Forschungsliteratur erganzt. Zur Bewaltigung der Analyse wird ein doppelter methodischer Zugriff gewahlt: Das gesamte thematische und motivische Material der Werke wird zu Struktur- bzw. Diskurskomplexen gebundelt, die die Werke auf interpretatorische Begriffe bringen. Innerhalb dieses Rasters werden zahlreiche Vergleiche zwischen der fiktionalen Darstellung und der referenzialisierten Wirklichkeit vorgenommen, um ein aufgefachertes Bild der Werke und der in ihnen verdichteten biographischen und seelischen Wirklichkeiten zu liefern. Die Analyse verdeutlicht so vor allem die Dreifaltigkeit der Lebensgeschichte: Es muss bei den Texten die tatsachliche von der erinnerten und der erzahlten Lebensgeschichte differenziert werden. Die Werke sind die komplexe Synthese der lebensgeschichtlichen und der sozio-kulturellen Dimension historischer Wirklichkeit. The writings of the different members of Alfred Kerr’s family offer a unique object of research: The literary depiction of exile can be analysed in Alfred Kerr’s England-diary Ich kam nach England and his novel Der Dichter und die Meerschweinchen, in Judith Kerr’s children’s fiction When Hitler stole pink rabbit, The other way round and A small person far away as well as in Michael Kerr’s memoirs As far as I remember. These works reflect, complete and contradict each other. The complex interrelations of both personal and family history as well as of the collective memory of the refugees result in different perspectives, processings and addressings in the writings. The different narrative figurations of the past are cross-read with biographic documents such as the family’s correspondence, with the writings of the other family members, interviews with Judith and Michael Kerr and with secondary literature. The analysis reveals that the family’s literary depictions of the years of exile are a complex composition of the individual and sociocultural dimension of historic reality.
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