Quedlinburg, 2. bis 5. Juli 2003: Internationale Klopstock-Tagung in Quedlinburg „,... hört meinen Gesang ...' Die Macht der Musik im Lichte Klopstocks und seiner Komponisten“

2016 
Vor 200 Jahren starb der am 2. Juli 1724 in Quedlinburg geborene Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock. Es war mehr als eine verehrungsvolle Geste, dass die Standige Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik aus diesem Anlass 16 Germanisten und Musikwissenschaftler in seine Geburtsstadt geladen hatte. Denn das Thema ist bislang von den entsprechenden Fachdisziplinen nur marginal behandelt worden. In einem Festvortrag gab der Heidelberger Germanist Dieter Borchmeyer dem Bild des „akustisch-choreographischen Sprachkunstlers'' Klopstock deutliche Konturen. Fur ihn war das Ohr das poetische Zentralorgan. Seine literarische Sprache ist daher eine „oralisierte" Dichtung. Denn erst durch die singende Deklamation tritt ihre Seele hervor, wird das Gemut bewegt und in ein Ideenreich gefuhrt, in dem das Erhabene waltet. Um die „Identifikationsfigur Klopstock. Der Dichter als musikalische Bezugsgrose" beim zwischen 1740 und 1780 heftig gefuhrten Disput um das Verhaltnis von Sprache und Musik ging es Laurenz Lutteken (Zurich). Klopstock konstituierte eine musikalische Sprache und zwang so die Komponisten, ihren kompositorischen Standort neu zu bestimmen. Dementsprechend entstanden Ausnahmewerke wie z. B. Telemanns Messias. Wahrend Katrin Kohl (Oxford) darauf verwies, dass Klopstock mit der angestrebten Vereinigung von Dichtkunst und Musik die Wirkung seiner Poesie verstarken wollte, untersuchte Kevin Hilliard (Oxford) den „Stellenwert der Musik bei Klopstock". Fur diesen war die Sprache keine semantisch unabhangige Leistung, sondern Anlass fur die Musik. Klaus Manger (Jena) vertiefte diese Problematik: „Klopstocks Ode (ist) Selbstgesang". Die Grenze des dichterischen Sprechens ist bereits ausgelotet, der Sprachraum rhythmisiert. Dadurch wird das Sprechen zu einer Aktion der Seele, aus der Bewegung wird eine Empfindung. Anhand von zwei gegensatzlichen Kompositionen (Die Sommernacht von Christoph Willibald Gluck und von Franz Schubert) untersuchte Mark Emanuel Amtstatter (Hamburg) die Grenzen der Gedichtvertonung. Ein weiterer Themenkomplex widmete sich Klopstocks biographischen Stationen, seinen komponierenden Zeitgenossen und ausgewahlten Werken. So verwies Klaus Peter Koch (Bonn) auf „Hamburg und die musikalische Welt", die fur den Dichter u. a. auch in Berlin und Gottingen, in Wien und Kopenhagen zu finden war. Monika Lemmel (Hamburg) fragte nach Klopstocks Erwartungen an die Musiker. Magda MarxWeber (Hamburg) stellte Andreas Rombergs Messias -Komposition vor, und Heinrich W. Schwab (Kopenhagen) untersuchte Friedrich Ludwig Aemilius Kunzens Beziehung zu Klopstock vor dem Hintergrund der gattungstypischen Auseinandersetzungen im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Einen spannenden „Versuch uber Schuberts Klopstocklieder" unternahm HansJoachim Hinrichsen (Zurich). Sein Ergebnis: Die tiefste Schicht von Schuberts Auseinandersetzung mit dem Lied beruht auf Klopstock. Auf das fruhe Beispiel einer fruchtbaren Rezeption des DeklamationsStils verwies Joachim Kremer (Stuttgart) mit Johann Rudolf Zumsteegs Ode Die Fruhlingsfeier ( 1 777). Durch einen Quellenvergleich brachte Andreas Waczkat (Rostock) Licht in das Dunkel um die Salzburger Auffuhrung von Johann Heinrich Rolles Der Tod Abels mit Michael Haydns Erganzungen, wahrend Jurgen Heidrich (Gottingen) den zeitgenossischen Oratorienbegriff hinsichtlich seiner katholischen oder protestantischen Pragung untersuchte. Wolf-Daniel Hartwich (Heidelberg) setzte sich mit „Klopstocks poetisch-musikalischen Theologien des Judentums" und den deutsch-nationalen Tendenzen in seiner Dichtung auseinander. Klopstock wollte, so betonte Stefanie Steiner (Tubingen) in ihrem Beitrag uber die „KlopstockRezeption im fruhen 19. Jahrhundert", ein nationales Erbe schaffen. Eines hat diese anregende Tagung sehr deutlich gezeigt: Klopstocks Werk, sein Wirken und Nachwirken werfen Fragen auf, die uns heute genauso beruhren wie seine Zeitgenossen vor 200 Jahren.
    • Correction
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    0
    Citations
    NaN
    KQI
    []