Detector optimization based on studies of charge migration in the high purity germanium crystals of the EDELWEISS dark matter experiment
2017
Kosmologische Beobachtungen auf allen Grosenskalen des Universums haben gezeigt, dass
86 % der gesamten Masse im Universum aus nicht-leuchtender, gravitativ wechselwirk-
ender Dunkler Materie besteht, wohingegen die bekannte baryonische Materie nur 14 %
ausmacht. Obwohl schwach wechselwirkende massive Teilchen (Weakly Interacting Massive
Particles, WIMPs) bisher noch nicht nachgewiesen wurden, stellen sie attraktive Anwarter
auf ein Dunkle Materie Teilchen dar, weil sie zum einen auf naturliche Weise die heute
beobachtete Dichte von Dunkler Materie erklaren und zum anderen stabil und neutral
sind, selten mit normaler Materie wechselwirken und auch eine niedrige Selbstwechsel-
wirkungsrate aufweisen. Ursprunglich wurde angenommen, dass WIMPs hohe Massen
im Bereich zwischen 100 GeV/c2 und 1 TeV/c2 haben sollten, allerdings gehoren heutzu-
tage auch WIMPs mit niedrigen Massen (low-mass WIMPs) von einigen GeV/c2 zu den
potentiellen Anwartern. Die Experimente zur direkten Suche nach Dunkler Materie ver-
suchen, den elastischen Stos eines WIMPs mit einem Target-Nukleon nachzuweisen. Da
der Energieubertrag bei so einem Stos sehr klein ist, mussen Dunkler Materie Detektoren
eine exzellente Unterdruckung von Untergrundereignissen und sehr niedrige Detektions-
schwellen aufweisen. Insbesondere fur die Messung von low-mass WIMPs sind Detektions-
schwellen im sub-keV Bereich notwendig.
Diese Arbeit wurde im Rahmen des EDELWEISS Experiments angefertigt, welches
als Ziel hat, Wechselwirkungen von WIMPs in hochreinen Germanium Kristallen (High
Purity Germanium, HPGe) zu messen. Die ausgezeichnete Funktionsweise dieser Detek-
toren wurde bereits in der 3. Phase des Experiments gezeigt und erlaubte Ausschluss-
werte fur den WIMP-Nukleon Streuwirkungsquerschnitt bis zu niedrigen WIMP Teilchen-
massen von 4 GeV/c2 zu bestimmen. Dieser Erfolg basiert auf der gleichzeitigen Mess-
ung des Ionisierungs- (Elektron und Loch Paare) und Warmesignals (Phononen) eines
gestosenen Teilchens. Uber das Verhaltnis von Ionisationsenergie zu Warmesignal konnen
Kernruckstose und Elektronenruckstose unterschieden werden, wobei erstere durch WIMPs
verursacht werden und letztere durch γ- und β- Untergrundstrahlung. Zusatzlich besitzen
die Detektoren ein spezielles Elektrodendesign (Fully Inter Digitized, FID), das die Iden-
tifizierung und Verwerfung von oberflachennahen Ereignissen erlaubt, welche oft vom Ein-
fang von Ladungstragern betroffen sind, was wiederum zu einer unvollstandigen Messung
der Ionisationsenergie fuhrt.
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Die nachste Phase des EDELWEISS Experiments begann im Dezember 2016 und hat
zum Ziel, die Sensitivitat fur low-mass WIMPs mit mχ ≈ 1 GeV/c2 zu erreichen. Dies
bedingt niedrige Detektionsschwellen im sub-keV Bereich. Erreicht werden kann dies, in-
dem die HPGe Kristalle mit hohen elektrischen Feldern von bis zu 100 V/cm betrieben
werden. Dies fuhrt zu einer Verstarkung des Warmesignal basierend auf dem Neganov-
Trofimov-Luke (NTL) Effekt. Wahrend Elektronen und Locher durch den Kristall driften,
werden sekundare Phononen erzeugt, deren Anzahl mit dem angelegten elektrischen Feld
ansteigt. Das ermoglicht eine Reduzierung der Detektionsschwelle im Warmekanal auf
unter 100 eV. Allerdings geht die Diskriminierung von Elektronen- und Kernruckstosen,
sowie die Identifizierung von oberflachennahen Ereignissen verloren.
Im Fokus dieser Arbeit stehen die Ladungstransporteigenschaften von Elektronen und
Lochern in den HPGe Kristallen bei niedrigen und hohen elektrischen Feldern, da das
Verstandnis dieser Eigenschaften wesentlich ist, um die NTL Verstarkung wirkungsvoll zu
nutzen. Zu diesem Zweck wurde ein umfangreiches Kalibrierungsexperiment mit einem FID
HPGe Detektor in einem Oberflachenlabor durchgefuhrt und die experimentellen Ergeb-
nisse mit Ladungstransportsimulationen in den EDELWEISS Detektoren verglichen.
Der erste Teil dieser Arbeit beschaftigt sich mit der Analyse der Pulsformen der Ionisa-
tionssignale. Diese Analyse erlaubt, Ladungtransporteigenschaften zu untersuchen, da die
Form der Ionisationssignale eine direkte Konsequenz aus dem Transport von Elektronen
und Lochern in den HPGe Kristallen ist. Die Analyse der Anstiegszeiten der Ionisationssig-
nale bei hohen und niedrigen elektrischen Feldern zeigt, dass Simulationen und Messergeb-
nisse gut ubereinstimmen. Zusatzlich zeigt sich, dass oberflachennahe Ereignisse kurzere
Anstiegszeiten als Ereignisse im Inneren des Detektors haben und folglich eine Diskrim-
inierung von oberflachennahen Ereignissen moglich ist. Abschliesend wird gezeigt, dass
die Anstiegszeiten geeignet sind, fruhzeitig das Entstehen von Raumladung und somit eine
Verschlechterung der Ladungssammlung zu erkennen.
Der zweite Teil dieser Arbeit beschaftigt sich mit der Funktionsweise der HPGe Detek-
toren bei hohen elektrischen Feldern. In diesem Fall sind nicht nur die Ionisationssignale
sondern auch das Warmesignal stark von Ladungstransportprozessen beeintrachtigt, da
das Warmesignal von sekundaren Phononen, die durch driftende Elektronen und Lochern
entstehen, dominiert wird. Auch hier zeigte sich, dass Simulation und Messung gut uber-
einstimmen. Es stellte sich heraus, dass die Detektorsignale stark von Ladungseinfang
beeintrachtigt sind, was zu unvollstandiger Ladungssammlung und reduzierten Warmes-
ignalen fuhrt. Davon betroffen sind vor allem Ereignisse, die nahe der Oberflache und
zwischen den Ringelektroden auftreten. Um den Einfluss von reduzierter Ladungssamm-
lung fur oberflachennahe Ereignisse zu minimieren, fuhren wir eine Optimierung der Elek-
trodenkonfiguration durch. Da im Falle von hohen elektrischen Feldern, die Detektions-
schwelle niedrig ist, dominiert niedrigenergetische Untergrundstrahlung im oberflachenna-
hen Bereich. Deswegen liegt der Schwerpunkt der Optimierung auf Energieeintragen, die
nahe der Oberflache einer Schicht d ∈ [200 nm, 1 μm] stattfinden. Vor allem ein geandertes
Design der Elektroden, das nur noch aus 2 grosflachigen Elektroden besteht, erlaubt im
Vergleich zu einem FID Detektor eine signifikante Reduktion der Ereignisse, die von un-
vollstandiger Ladungssammlung beeinflusst werden.
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Die spannungsunterstutzte Messung von Ionisierung als Warmesignal in Halbleiterde-
tektoren ist ein vielversprechender und zukunftsweisender Weg um hohere Sensitivitat
fur low-mass WIMPs zu erreichen. Dies macht ein gutes Verstandnis von Ladungstrans-
portprozessen und die Vermeidung von Signalreduzierung durch Ladungseinfang um so
wichtiger. Diese Arbeit zeigt, dass der Ladungstransport in HPGe Detektoren bei tiefen
Temperaturen und fur elektrische Felder zwischen 2 V/cm und 50 V/cm und hoher gut
verstanden ist. Dadurch wird eine zuverlassige Rekonstruktion der Energieeintrage im
Detektor auch bei hohen elektrischen Feldern moglich. Diese in dieser Arbeit gezeigte
Verlasslichkeit der Energieskala erlaubt, den nachsten Schritt in Richtung der Detektion
von low-mass WIMPs anzugehen.
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