Europa sollte die Zusammenarbeit mit dem Nahen Osten und Nordafrika stärker auf die Gesellschaftsverträge fokussieren

2021 
2021 ist ein wichtiges Jahr fur die Zusammenarbeit Europas mit seinen Nachbarn im Nahen Osten und in Nordafrika (MENA). Die Corona-Pandemie zwang die Europaische Union (EU) bei der Erstellung ihres neuen Mehrjahreshaushalts, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Prioritaten ihrer Kooperation mit den MENA-Landern sowie die ihrer Mitgliedstaaten zu uberdenken. Ihr Potenzial, die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft in den MENA-Landern positiv zu beeinflussen, hat sie aber noch langst nicht ausgeschopft. Die jungste Mitteilung zur Europaischen Nachbarschaftspolitik (ENP) Sud vom Februar 2021 kundigt eine "neue Agenda" fur die Zusammenarbeit mit den MENA-Landern an. Offensichtliche Zielkonflikte bleiben aber unausgesprochen, v.a. die Unvereinbarkeit des Strebens nach liberal-demokratischen und Wirtschaftsreformen, mehr Rechenschaftspflicht und der Achtung von Menschenrechten durch die MENA-Regierungen auf der einen Seite und einer restriktiven Handelspolitik der EU, Migrationssteuerung und sicherheitspolitischer Kooperation auf der anderen. Zudem mangelt es an bilateraler Koordination zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Das Konzept des Gesellschaftsvertrags konnte helfen, diese Konflikte zu uberwinden. Sie sind unvermeidlich, wenn inter-nationale Kooperation v.a. kurz- bis mittelfristige Ziele wie Migrationssteuerung, Resilienzforderung und Privatinvestitionen verfolgt. In autoritaren Kontexten wird dadurch aber oft der Staat zu Lasten der Gesellschaft gestarkt, was zu Spannungen fuhrt und nicht zur angestrebten Stabilitat. Gesellschaftsvertrage starker zu beachten fuhrt zu einer langerfristigen Perspektive. Sie beruhen auf der Erbringung von 3 'P's durch den Staat: Protection (Schutz der Burger), Provision (wirtschaftliche und soziale Dienstleistungen) und Participation (Teilhabe der Gesellschaft an Entscheidungen). Das Konzept des Gesellschaftsvertrags kann Orientierung bei der gemeinsamen Ausrichtung und Organisation der Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten geben. Es verdeutlicht, wie die drei "P"s bei der Verbesserung des sozialen Zusammenhalts, der innerstaatlichen Beziehungen und der politischen Stabilitat zusammenwirken. Dadurch hilft es, die Wirksamkeit, Koharenz und Koordination der MENA-Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu verbessern. Einige Mitglieder fokussieren hierin auf Handel und Investitionen, andere auf politische Reformen und Menschenrechte und wieder andere auf Migrationssteuerung. Eine langerfristige Perspektive wurde verdeutlichen, dass nachhaltigere Gesellschaftsvertrage in den MENA-Landern alle diesen Zielen dienlich sind. Alle Masnahmen der Europaer sollten daher auf Reformen abzielen, die die Gesellschaftsvertrage der MENA-Lander fur alle Vertragsparteien, also Regierungen und gesellschaftliche Gruppen, akzeptabler machen. Im Idealfall werden solche Reformen von den Parteien auf Augenhohe ausgehandelt. In der Praxis ist die Verhandlungsmacht der Gesellschaft aber oft begrenzt - weshalb europaische Politik die Gesellschaften stets mindestens so sehr starken sollte wie die Regierungen. In diesem Papier werden vier Bereiche der Zusammenarbeit erortert, die wirkungsvolle Treiber fur Veranderungen in den Gesellschaftsvertragen darstellen: (i) Konfliktlosung, Friedenskonsolidierung und Wiederaufbau; (ii) Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie: Gesundheit und soziale Absicherung; (iii) Partizipation auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene; sowie (iv) Migration und Mobilitat zum gegenseitigen Nutzen.
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