Die erste Struktur eines Zellwandproteins einer Diatomee: NMR-spektroskopische Charakterisierung der PSCD4-Domäne von Pleuralin-1 aus Cylindrotheca fusiformis unter Verwendung von Methoden zur partiellen Orientierung
2004
In dieser Arbeit wurde die erste Struktur eines Zellwandproteins einer Kieselalge mit Flussigkeits-NMR-Spektroskopie bestimmt: Die Struktur der PSCD4-Domane des Zellwandproteins Pleuralin-1 aus Cylindrotheca fusiformis. Die PSCD-Domanen (87 bzw. 89 AA) sind hoch konserviert und wurden nur in den Mitgliedern der Pleuralin-Familie (fruher HEP) gefunden. Der Name PSCD bezieht sich auf die am haufigsten vorkommenden Aminosauren (~22% Pro, ~11% Ser, ~11% Cys und ~9% Asp). Wahrend die PSCD-Domanen 70% bis 92% Sequenzidentitat untereinander aufweisen, zeigen sie keine signifikante Homologie zu anderen Proteinen in den gangigen Datenbanken. Aufgrund der ungewohnlichen Aminosaurezusammensetzung erwarteten wir ein neues Faltungsmotiv, welches das PSCD4 auch tatsachlich ausbildet.
Aufgrund der signifikanten Abweichungen der chemischen Verschiebungen von den Random-Coil-Werten, scheint der Kern der Domane gut strukturiert zu sein. Allerdings deuten die Analysen der chemischen Verschiebungen mit den Computerprogrammen CSI und TALOS darauf hin, dass PSCD4 keine kanonischen Sekundarstrukturelemente ausbildet. Die Bestimmung der Struktur in Losung wurde durch die relativ geringe Anzahl an beobachtbaren NOE-Kontakten erschwert. Des Weiteren kommt es, aufgrund des Uberwiegens weniger nicht aromatischer Aminosauren, zu vielen Uberlagernungen in den Spektren. Um diese Hindernisse zu umgehen, wurde die Position von drei der funf Disulfidbrucken, ihre Existenz ist anhand ihrer chemischen Verschiebungen gezeigt, mit biochemischen Methoden, wie enzymatische Spaltung, HPLC-Analyse, Massenspektroskopie und Edman-Abbau bestimmt. Zusatzlich zu den Positionen der Disulfidbrucken und den Abstandsinformationen aus den NOESY-Spektren wurden Restdipolkopplungen zwischen dem HN und N gemessen, welche sehr wertvolle Strukturinformationen enthalten. Informationen uber den Diederwinkel F wurden dem HNCA-E.COSY-Spektrum entnommen. Wasserstoffbruckenbindungen wurden mittels des modifizierten HNCO-Experiments direkt nachgewiesen. Die Struktur der PSCD4-Domane, ebenso wie ein Modell aller funf PSCD-Domanen aus Pleuralin-1 wurde mittels Simulated Annealing mit dem Computerprogramm CNS berechnet.
Der Kern der PSCD4-Struktur enthalt keine klassischen Sekundarstrukturelemente und zeigt ein neues Faltungsmotiv. Er besteht aus mehreren Schleifen, welche durch die funf Disulfidbrucken verbunden sind. Der RMSD des Kerns ist 0,109 nm (Proteinruckgrat, Reste 30 bis 80). Die aus dem Ramachandran-Diagramm bestimmte Auflosung der Struktur ist 0,4 nm. Die zwei Termini sind flexibel, was durch die Relaxationsuntersuchungen bestatigt wurde. Mit dem Computerprogramm Dali konnte gezeigt werden, dass es in der PDB-Datenbank keine der PSCD4-Domane ahnlichen Strukturen gibt. Deshalb ist anzunehmen, dass die PSCD4-Domane einen neuen Faltungstyp besitzt.
Aufgrund dieser Struktur kann uber die Funktion des Proteins spekuliert werden. Die gesamte Oberflache ist aufgrund von sauren Seitenketten von 12 Asparaginen und Glutamaten negativ geladen, mit Ausnahme zweier basischen Bereiche. Wie Studien zur Immunlokalisation (KROGER & WETHERBEE, 2000) und die Zuganglichkeit fur den Abbau mit Pronase (KROGER et al., 1997) zeigen, ist Pleuralin-1 auf der Oberflache der Zellwand dem umgebenden Wasser exponiert. Da die PSCD4-Domane in Losung nicht aggregiert, kann man spekulieren, dass die funf PSCD-Domanen des Pleuralin-1 wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht sind, verbunden durch verschieden lange Peptide. Diese Annahme wird von den Modellrechnungen fur ein Protein aus allen 5 PSCD-Domanen bestatigt. Auf der Oberflache der PSCD-Domane ist eine grose Anzahl potentiell modifizierbarer funktioneller Gruppen, wie die Seitenketten von Asparaginen, Serinen und Threoninen. diese konnen kovalent mit anderen organischen Komponenten der Zellwand, z.B. Oligosacchariden verknupft sein. Solche Verknupfungen konnten die Morphologie der Zellwandbildung kontrollieren (KROGER & WETHERBEE, 2000).
In einem weiteren Teil dieser Arbeit wurde eine Methode zur genauen Messung von HN-Ha-Restdipolkopplungen an unmarkierten Proteinen etabliert. Das MOCCA-SIAM-Experiment erlaubt die Bestimmung von Kopplungskonstanten mit weit hoherer Genauigkeit und hoherer Sensitivitat als das COSY-Experiment. Der Fehler fur die Restdipolkopplungen ist bei guter Spektrenqualitat ±0,4 Hz. Dadurch konnen die Restdipolkopplungskonstanten auch bei geringeren Orientierungsgraden gemessen werden und Untersuchungen zur Orientierung im Magnetfeld, wie hier fur das HPr gezeigt, durchgefuhrt werden.
Aufgrund der hoheren Qualitat der Spektren, gegenuber dem COSY, erlaubt das MOCCA-SIAM-Experiment die Bestimmung von HN-Ha-Restdipolkopplungen mit negativem Vorzeichen. Die Qualitat der mit dem MOCCA-SIAM-Experiment bestimmten Restdipolkopplungen wurde am BPTI uberpruft, wobei sich fur 19 HN-Ha-Restdipolkopplungen innerhalb der Sekundarstrukturelemente ein Qualitatsfaktor Q = 0,286 ergab.
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